Seit Tagen toben schwere Unwetter über Österreich. In Tschechien starben mehrere Menschen. Ein Lokalaugenschein.
Seit Tagen halten schwere Hagelunwetter die Einsatzkräfte auf Trab. Der Schaden in der Landwirtschaft übersteigt bereits 50 Millionen Euro.
ST. PÖLTEN, LINZ. Hagelkörner so groß wie Tennisbälle, heftiger Wind, starker Regen und Blitzeinschläge: Ab dem späten Donnerstagnachmittag zogen erneut schwere Unwetter über Österreich hinweg und hinterließen eine Spur der Verwüstung. In Niederösterreich waren 1600 Einsatzkräfte von 110 Feuerwehren in den Bezirken Hollabrunn, Mistelbach, Gmünd, Horn, Zwettl und Waidhofen an der Thaya zumindest bis Mitternacht im Großeinsatz.
Besonders betroffen war Schrattenberg (rund 830 Einwohner). Laut Feuerwehr bleib fast kein Haus vom Hagelsturm verschont. Franz Resperger vom Landesfeuerwehrkommando Niederösterreich machte sich am Freitag selbst ein Bild. „Die Situation ist beklemmend. Wenn man den Menschen ins Gesicht schaut, sieht man die pure Verzweiflung.“Aus dem ganzen Bundesland wurden Abdeckplanen herbeigebracht.
Auch in Allentsteig (rund 1700 Einwohner) richtete der Hagel große Schäden an. Etwa jedes zweite Hausdach sei bei dem Unwetter beschädigt worden, erklärte Kommandant Franz Loidolt. Knapp ein Drittel der Schadensfälle war bis Freitagnachmittag begutachtet worden. Beim Anbringen der Abdeckplanen erhielten die Einsatzkräfte Unterstützung von Bundesheer und Straßenmeisterei. Private Firmen hätten Krane zur Verfügung gestellt, sagte Loidolt. Die Aufräumarbeiten werden auch zumindest am Samstag noch andauern.
Erfahrene Feuerwehrleute sind sich einig: Das Unwetter war ein außergewöhnliches Ereignis. So sagte Matthias Hahn, Kommandant in Zwettl und seit 25 Jahren bei der Feuerwehr: „Das war ein Ereignis, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Hagelkörner waren sechs bis sieben Zentimeter groß. Und auch während der Einsätze sind Gewitterstürme über den Einsatzkräften niedergegangen. Das war nicht ungefährlich.“Franz Resperger ist seit 46 Jahren bei der Feuerwehr. „Das habe ich noch nie gesehen – nicht in dieser Dichte und in diesem Ausmaß.“Bewohner von Schrattenberg hätten ihm gesagt: Das Donnern der Hagelkörner habe sich angehört, als stünde man unter Beschuss. Trotz der Schäden an Häusern und Autos gibt es eine gute Nachricht: „Dass es
keine Verletzten gegeben hat, ist ein Wunder“, sagte Resperger. Der auch das österreichische Feuerwehrwesen lobt. „Bei solchen Katastrophen zeigt sich, dass sich die flächendeckende Versorgung bezahlt macht. Binnen weniger Minuten stehen Hundert- oder Tausendschaften bereit.“
Auch Oberösterreich war wieder von schweren Unwettern betroffen. Wie die Landeswarnzentrale in der Nacht auf Freitag mitteilte, waren ab 17 Uhr im Bundesland insgesamt 104 Feuerwehren mit rund 1560 Kräften bei 952 Einsätzen gefordert. Zu Beginn waren vor allem die Bezirke Grieskirchen und Urfahr-Umgebung betroffen, ab 22.30 Uhr dann der Bezirk Rohrbach. Zudem gingen über den Bezirken Freistadt, Schärding, Braunau, Eferding, LinzLand, Ried im Innkreis, Rohrbach und Vöcklabruck heftige Unwetter mit Hagel und Starkregen nieder. Auf der Autobahn bei Weißenkirchen (Wels-Land) kam es in Fahrtrichtung Linz während eines Gewitters am frühen Donnerstagabend zu einem Serienunfall mit fünf Lkw, fünf Pkw und einem Kleintransporter. In der Gegenrichtung kollidierten zwei Pkw. Insgesamt wurden sechs Menschen verletzt.
Hart getroffen hat es die Bauern. Rechne man die Schäden in der Landwirtschaft zusammen, komme man in den vergangenen drei Tagen auf eine Summe von über 50 Millionen Euro, sagte Mario Winkler von der Hagelversicherung. Allein die Unwetter am Donnerstag führten in Niederösterreich zu Schäden von geschätzt 20 Millionen Euro, in Oberösterreich waren es neun Mill. Euro. „Das ist ein Negativrekord in mehrfacher Hinsicht“, erklärt Winkler. Noch nie seien in so kurzer Zeit so hohe Schäden durch unterschiedliche Unwetter verursacht worden. Und noch nie seien so gut wie alle Kulturen von der Verwüstung betroffen gewesen. „Das reicht von Getreide und Kartoffeln über Weinkulturen bis zu Glashäusern und Folientunneln für Gemüse, aber auch Grünland.“Zu den Schäden in der Landwirtschaft – die bei vielen Bauern durch Versicherungen zumindest großteils gedeckt seien – kämen oft noch immense Schäden an Gebäuden und Fahrzeugen.
„In Hollabrunn herrschte Weltuntergangsstimmung mit tennisballgroßen Hagelschloßen“, schildert Josef Kaltenböck, Landesleiter der Hagelversicherung in Niederösterreich. Franz Satzinger ist Landwirt und Winzer in Schöngrabern im Bezirk Hollabrunn. „Ich bin gerade unterwegs, um den Schaden zu begutachten. Teils ist von den Kulturen nicht viel übrig“, sagte er Freitagvormittag. Maispflanzen seien zerstört, Wintergerste niedergedrückt, viele Felder ein einziges Schlammloch. Auch die Rebstöcke seien teils vernichtet.
„Vier Tage hintereinander Hagelkörner mit sechs Zentimetern Durchmesser, das habe ich noch nie erlebt“, sagt auch Wolfgang Winkler, der seit fast 40 Jahren für die Hagelversicherung Oberösterreich tätig ist. Die Folgen für die heurige Ernte könne man noch nicht abschätzen, so Andreas Pfaller, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer. „Nach der langen Hitze waren wir froh über Niederschlag, dass der derartige Verwüstung brachte, ist dramatisch.“