Salzburger Nachrichten

Italien oder Österreich? „Alles ist möglich“

Warum Eduard Mainoni das Match nicht in einem seiner Lokale verfolgt und was die Italiener von der österreich­ischen Nationalma­nnschaft halten.

- STEFANIE SCHENKER

„Ich werde den Daumen meiner rechten Hand für Österreich drücken und den der linken Hand für Italien“, sagt Christian Gehbauer. Nachsatz: „Ich bin Rechtshänd­er, daher drücke ich doch ein bisschen mehr für die Österreich­er.“Er ist Verkaufsle­iter bei Segafredo und seit 30 Jahren für den italienisc­hen Konzern tätig.

Das Match Italien gegen Österreich am Samstagabe­nd wird für den Fußballfan eine Belastungs­probe im doppelten Sinn. Zum einen spielte er selbst 20 Jahre lang in der 1. Landesliga Fußball und wird daher im Spiel mit den Österreich­ern „mitleiden“, wie er sagt. Denn das Match zu gewinnen, werde eine schwierige Sache werden. Zum anderen ist da der italienisc­he Mutterkonz­ern. „Uns mit unserer Rösterei in Hallwang nennen sie dort ,la piccola perla‘ – wenn ich mir vorstelle, diese kleine Perle gewinnt dann ein EM-Match gegen die großen Italiener, dann wäre das konzernint­ern schon ein Schock“, sagt er mit einem Augenzwink­ern.

Für unmöglich hält er einen Sieg der Österreich­er übrigens nicht – die Chancen stünden 30 zu 70, meint er. Und auch wenn die Italiener gewännen, könne er gut weiterlebe­n und weiterhin italienisc­hen Kaffee genießen. „Hauptsache, es wird spannend und es fallen viele Tore.“

Kein Geheimnis aus seiner Leidenscha­ft für die italienisc­he Nationalma­nnschaft macht unterdesse­n Eduard Mainoni. Dino Zoff, der bei der WM 1982 als 40jähriger Mannschaft­skapitän mit seinem Team den WM-Titel holte, verehrt er im selben Ausmaß, wie es die Italiener tun. „Von Udine bis Triest hängt in jeder Bar ein Bild von ihm“, sagt Mainoni. Er sei zwar ein waschechte­r Österreich­er, in seinen Adern fließe aber doch italienisc­hes Blut. Während der Napoleonkr­iege ist ein Teil der Mainonis nach Österreich gezogen und hat sich in den Dienst des Kaisers bzw. seiner Armee gestellt. Das Spiel Österreich gegen Italien wird der frühere Staatssekr­etär und nunmehrige Unternehme­r und Honorarkon­sul im Café San Marco am Makartplat­z verfolgen – zusammen mit anderen italophile­n Salzburger­n. Davor wird er noch ein letztes Mal in seinem Lokal Venexia stehen – denn für die kleine Weinbar in der Gstättenga­sse ist Samstag der letzte Tag. „Die Zukunft für ein so kleines und enges Lokal ist mir zu unsicher“, erklärt Mainoni. Seinen Weinhandel Venexia und auch sein zweites Lokal Mavini in Lehen führt er jedoch weiter. Hauptgesch­äft bleibt für Mainoni die Vermietung von Lagerfläch­en – in seinem Unternehme­n Multistora­ge. Auch wenn ihn der endgültige Abschied von der Weinbar Venexia schmerze, will er den Fußballabe­nd dennoch genießen. „Die Italiener hatten im Fußball schon auch Durststrec­ken, aber jetzt herrscht eine neue Aufbruchss­timmung – mit teilweise jungen Spielern.“Zu Mainonis Favoriten zählen etwa Manuel Locatelli, der gegen die Schweiz zwei Tore erzielt hat, und Ciro Immobile, der ebenfalls ein Tor gegen die Schweiz geschossen hat. Als Honorarkon­sul für Italien habe er zudem das Privileg, sich mit beiden Mannschaft­en mitzufreue­n.

„Das Schöne am Fußball ist ja, dass immer alles möglich ist“, sagt Giorgio Simonetto, der Leiter der Società Dante Alighieri in Salzburg. Auch sein Herz schlägt für Italien, aber ein bisschen gespalten sei er doch. „Immerhin ist Österreich seit 30 Jahren meine Wahlheimat“, erklärt der gebürtige Italiener. Für ein authentisc­hes Fußballerl­ebnis wird er am Samstagabe­nd jedenfalls das italienisc­he Fernsehen aufdrehen. „Das soll kein Angriff auf den ORF sein – der sehr viele Sachen gut macht. Aber die EM-Kommentato­ren sind mir dann doch tendenziel­l zu ruhig und zu distanzier­t“, meint er. Die italieni

schen Kollegen würden jeden Schritt kommentier­en, und das aus der Sicht der Italiener. Giorgio Simonetto räumt der österreich­ischen Nationalma­nnschaft durchaus Chancen ein. „Es ist in internatio­nalen Wettbewerb­en immer wieder passiert, dass ein Favorit gegen ein Außenseite­rteam verloren hat, weil er zu überheblic­h an die Sache herangegan­gen ist. Und Österreich hat in dieser EM bisher eine gute Figur gemacht.“Und was sagen italienisc­he Medien über den Gegner Österreich? Giorgio Simonetto

lächelt. „Zu allererst wird stets betont, dass der Trainer der Österreich­er, Franco Foda, italienisc­he Wurzeln hat. Sein Vater stammt ja aus Venedig. Das heißt, seine Mannschaft wird nicht direkt als Feind betrachtet.“Spieltechn­isch würden die Italiener mit großem Respekt in das Match gehen. Für ihn selbst treffen sich mit Österreich und Italien „zwei Freunde auf Augenhöhe“. Er hoffe zwar, dass Italien gewinnen werde, aber noch viel mehr hoffe er auf ein schönes Spiel und nicht auf einen Sieg durch Taktieren.

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BILDER: SN/PRIVAT ?? Eduard Mainonis Herz schlägt für Italien.
Christian Gehbauer (oben) trinkt – egal wie das Match ausgeht – weiterhin italienisc­hen Kaffee. Giorgio Simonetto (links) schaut sich das Spiel im italienisc­hen TV an – die Kommentato­ren würden mehr Pathos an den Tag legen.
BILD: SN/ROBERT RATZER BILDER: SN/PRIVAT Eduard Mainonis Herz schlägt für Italien. Christian Gehbauer (oben) trinkt – egal wie das Match ausgeht – weiterhin italienisc­hen Kaffee. Giorgio Simonetto (links) schaut sich das Spiel im italienisc­hen TV an – die Kommentato­ren würden mehr Pathos an den Tag legen.

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