Jetzt heißt die Devise: „Koste es, was es solle“
Die Regierung hat die Pandemie großteils gut gemanagt. Die Aufgabe, wieder normales Wirtschaften zu ermöglichen, wird um nichts leichter.
Nur mehr dort helfen, wo es nicht anders geht
Hinter uns liegen 16 Monate, die überwiegend im Zeichen des Kampfes gegen die Covid19-Pandemie standen. Es war eine harte Zeit, in der mit zunehmender Dauer auch der Zusammenhalt der Gesellschaft, der anfangs sehr groß war, auf eine harte Probe gestellt wurde. Und es waren teure 16 Monate. Auf knapp 39 Milliarden Euro belaufen sich per Ende Juni die Hilfen, die der Bund für Arbeitnehmer und Unternehmen ausgezahlt oder genehmigt hat. Davon entfallen 7,2 Milliarden Euro auf Garantien für Kredite, die in vielen Fällen vermutlich nicht schlagend und damit auch nicht ausgabenwirksam werden. Gestundete oder herabgesetzte Steuern machen 5,7 Milliarden Euro aus – der größere Teil davon wird mit zeitlicher Verzögerung wohl auch noch im Staatshaushalt landen. Zieht man die beiden Positionen bei großzügiger Betrachtung ab, bleiben immer noch 25 Milliarden Euro, die ausgegeben wurden, um das zu verhindern, was Bundeskanzler Sebastian Kurz am 18. März 2020 als Regierungslinie ausgab. Alles zu tun, um Arbeitslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit in Unternehmen zu verhindern, entlang der Devise: „Koste es, was es wolle.“
Für eine endgültige Abrechnung ist es noch zu früh, zumal die Regierung beschlossen hat, dass ein Teil der Hilfen verlängert wird – der Ausfallbonus und der Härtefallfonds um drei, der Verlustersatz um sechs Monate. Dafür veranschlagt der Finanzminister noch einmal zumindest eine halbe Milliarde Euro. Dazu kommen noch nicht abschätzbare Kosten für die Verlängerung der Kurzarbeit, die in der zuletzt bestehenden großzügigen Form von Betrieben in weiterhin stark betroffenen Branchen noch bis Jahresende in Anspruch genommen werden kann. Für alle anderen gibt es bis Mitte 2022 ein Modell, bei dem die Förderhöhe gesenkt wurde. Mit bisher elf Milliarden Euro war die Kurzarbeit der größte Ausgabenposten, sie hat aber einen noch stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert, insofern war sie wohl eine der effektivsten Maßnahmen. Dass die Regierung die Hilfen nicht schlagartig einstellt, trifft sich mit den Empfehlungen internationaler Organisationen. Die OECD, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds warnen regelmäßig davor, staatliche Hilfen zu früh zurückzuziehen, das gefährde den noch fragilen Aufschwung.
Dennoch ist es Zeit für den Kurswechsel. In Anlehnung an den Ausspruch des Bundeskanzlers hat die Devise künftig zu lauten: „Koste es, was es solle.“Es geht darum, die Hilfen auf ein Maß zurückzufahren, das mit der schrittweisen Erholung der Konjunktur in Einklang steht. Der Staat soll künftig nur mehr dort einspringen, wo wegen der Maßnahmen zum Eindämmen der Pandemie die Nachfrage noch immer weit von einem normalen Maß entfernt ist, etwa in der Stadthotellerie. Man muss auch keine Prämien für Investitionen mehr zahlen, die Unternehmen auch ohne staatliche Förderung tätigen würden.
Eine vorläufige Beurteilung, wie gut die Regierung die Krise bewältigt hat, fällt gemischt aus. Man hat zu Beginn rasch reagiert und zügig nachgelegt, als man sah, dass man mit ein paar Milliarden nicht auskommen würde. Es wurden viele Instrumente geschaffen, um die unterschiedliche Betroffenheit von Branchen zu berücksichtigen. Dabei hat man sich verzettelt, die Fülle der Hilfen ging auf Kosten der Transparenz, was auch der Rechnungshof bemängelt, der allerdings nur die bis Ende September 2020 ausgezahlten 21,3 Milliarden Euro prüfte. Unternehmer klagten über bürokratischen Aufwand und das zögerliche Auszahlen der Hilfen. Dass die Opposition in den Kritikerchor einstimmt, überrascht nicht, politisch wird schnell abgerechnet.
Der Streit, ob die Lockdowns in ihrer Länge und Strenge notwendig oder übertrieben waren, ist müßig. Gerettete Menschenleben mit dem massiven wirtschaftlichen Schaden aufzurechnen führt zu nichts.
Nach 16 Monaten Coronamanagement wartet auf die Politik die nächste Aufgabe. Will man verhindern, dass der Staatshaushalt wegen der eingegangenen Schulden auf Dauer im Lockdown verharrt, muss in Bildung und den Arbeitsmarkt investiert werden. Und man muss die von den Fesseln der Pandemie befreite Wirtschaft wieder arbeiten lassen. Mit möglichst wenig staatlichen Eingriffen, aber auch mit dem zwischenzeitlich abgeschafften Risiko des Scheiterns. „Koste es, was es wolle“kann nur mehr im Klimaschutz die Linie sein.