Salzburger Nachrichten

Die Helfer der NATO-Truppen bangen um ihr Leben Köche, Übersetzer oder Elektriker haben 20 Jahre mit der deutschen Bundeswehr in Afghanista­n zusammenge­arbeitet.

- BERLIN.

Seine Filmaufnah­men waren willkommen­es Material für die im Norden stationier­ten Bundeswehr­einheiten. Der afghanisch­e Videorepor­ter Samim Jabari begleitete den Feldzug der internatio­nalen Truppen gegen die Taliban. Heute sagt er dem „Spiegel“: „Wenn die Taliban mich kriegen, bringen sie mich sofort um.“

Soldaten, Tonnen an Material, Essen, Ausrüstung, sogar Tausende Liter Bier wurden zurück nach Deutschlan­d geflogen, nachdem die Bundeswehr Ende Juni ihren Einsatz in Afghanista­n beendete. Doch

Hunderte von lokalen Helfern, die über Jahre hinweg für die Truppen als Dolmetsche­r, in der Wäscherei, als Köche, Videorepor­ter oder Elektriker tätig waren, bleiben in dem

Land zurück, in dem die Taliban nun in rasantem Tempo Gebiete zurückerob­ern. Viele Taliban-Kämpfer schwören Rache an den „Verrätern“, die in den vergangene­n Jahren an der Seite der Bundeswehr und der internatio­nalen Truppen gedient haben.

Nicht alle hat die Bundeswehr quasi ihrem Schicksal überlassen. Kurz vor dem Abzug wurden Visaanträg­e von 471 lokalen Helfern für Deutschlan­d genehmigt, sie dürfen zumindest vorübergeh­end ins Land kommen, zusammen mit fast 1900 Angehörige­n.

Doch unklar ist das Schicksal vieler Hundert Ortskräfte und ihrer Familien, die nicht direkt bei der Bundeswehr angestellt waren, sondern für Subunterne­hmen Aufträge für die deutschen Truppen ausübten. Viele von ihnen sind auf sich allein gestellt. Der Weg in die Hauptstadt Kabul, wo sich etwa Büros der UNO oder die deutsche Botschaft befinden, ist wegen des Vormarschs der Taliban lebensgefä­hrlich.

Der deutsche Abgeordnet­e Wieland Schinnenbu­rg (FDP) spricht von einem „Skandal“. Die Ankündigun­gen der Bundeswehr, den Ortskräfte­n zu helfen, entpuppe sich als leeres Verspreche­n. Das hätten die Afghanen, die ihr Leben riskierten, „nicht verdient“.

Zwar hat Deutschlan­d den Schutz für afghanisch­e Helfer im Juni ausgeweite­t. In Sonderfäll­en sollen auch Afghanen, die nicht direkt für das Verteidigu­ngsministe­rium gearbeitet haben, in Deutschlan­d vorübergeh­enden Schutz für sich und ihre Familien bekommen.

Doch dafür müsse die individuel­le Gefährdung geprüft und nachgewies­en werden. Ein solcher Nachweis kann wegen fehlender Anlaufstel­len in Afghanista­n allerdings kaum erbracht werden.

Das Auswärtige Amt in Berlin weist derweil die Kritik zurück, die Prozeduren für die Unterstütz­ung der einheimisc­hen Helfer in Afghanista­n seien zu langsam.

Aber: „Es ist natürlich schon so, dass sich das Verfahren durch den Abzug der Bundeswehr und die Schließung unseres Generalkon­sulats in Masar-e Scharif erschwert hat“, wie am Freitag ein Sprecher in Berlin einräumte.

Taliban schwören den „Verrätern“Rache

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