Er sitzt fest im Sattel
Griechenlands Ministerpräsident Mitsotakis ist seit zwei Jahren im Amt. Trotz Corona kann er eine positive Halbzeitbilanz vorweisen.
ATHEN. Kyriakos Mitsotakis legte einen Blitzstart hin. Einen Tag nach der Wahl vor zwei Jahren leistete der konservative Ministerpräsident seinen Amtseid und präsentierte seine Regierungsmannschaft. Bei der ersten Kabinettssitzung fand jeder Minister auf seinem Platz eine Mappe vor. Sie enthielt eine Aufstellung der strategischen Ziele und Aufgaben für jedes Ressort.
Doch es sollte anders kommen, ein Ausnahmezustand folgte dem nächsten: erst die Flüchtlingskrise an der griechisch-türkischen Grenze, dann der Mittelmeer-Gasstreit, der Griechenland und die Türkei im Sommer 2020 an den Rand eines Krieges brachte.
Überlagert wurden die Spannungen von der Pandemie. Sie traf Griechenland in einer schwierigen Phase. Das Land begann gerade, sich von den Folgen der zehnjährigen Schuldenkrise und der längsten Rezession der Nachkriegsgeschichte zu erholen. Mitsotakis war mit dem Versprechen angetreten, Griechenland zu nachhaltigem Wachstum zu führen. Aber die Lockdowns und die ausbleibenden Touristen stürzten die Griechen zurück in die Rezession. 2020 schrumpfte die Wirtschaft um acht Prozent.
Trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen steht Griechenland heute politisch gefestigter da als viele andere Länder Europas. Mitsotakis führt eine Einparteienregierung, die sich im Parlament auf 158 der 300 Sitze stützen kann. Die Stabilität spiegelt sich auch in den Umfragen. In jüngsten Erhebungen hat die regierende Nea Dimokratia ihren Vorsprung zum Linksbündnis Syriza auf 16 Prozent ausgebaut. Ihr Abstand hat sich seit der Wahl von 2019 verdoppelt.
Auch im direkten Vergleich mit seinem radikal-linken Amtsvorgänger Alexis Tsipras schneidet Mitsotakis gut ab: In einer Umfrage von Ende Juni nannten 53,4 Prozent der Befragten Mitsotakis als den geeigneteren Ministerpräsidenten. Tsipras wollen nur 25,8 Prozent in diesem Amt sehen. Selbst 20 Prozent Syriza-Wähler halten Mitsotakis für den besseren Regierungschef.
Die guten Noten verdiente sich die Regierung auch mit ihrer Coronapolitik.
Das Land kam dank frühzeitig eingeführter Kontaktbeschränkungen besser durch die Pandemie als viele andere EU-Staaten. Die Impfkampagne ist vorbildlich organisiert.
Obwohl die Pandemie immer noch das alles beherrschende Thema ist, arbeitet Mitsotakis seine Reformagenda zügig ab. Schon sechs Monate nach der Wahl verabschiedete das Parlament eine Steuerreform, die Unternehmen sowie kleine und mittlere Einkommen entlastet. Die Regierung zog im Rahmen ihrer ehrgeizigen Klimapolitik den
Kohleausstieg von 2028 auf 2025 vor und forciert die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Aber wie die Agenda der nächsten zwei Jahre wirklich aussehen wird, weiß niemand. Die zweite Halbzeit könnte noch anspruchsvoller werden als die erste. Der Konflikt mit der Türkei schwelt weiter. Auch die Pandemie ist noch nicht vorbei. Die größte Herausforderung wird sein, das chronische Krisenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen und die Arbeitslosigkeit, die mit 16 Prozent immer noch hoch ist, zu drücken.