Salzburger Nachrichten

Am Neusiedler See kämpfen die Immigrante­nkinder

Mit Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“wurden die Seefestspi­ele Mörbisch eröffnet.

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MÖRBISCH. Die Jugendlich­en sind vollgepump­t mit Vorurteile­n, die bis zum Hass führen und letztendli­ch zum Messerkamp­f mit Todesfolge­n. Und alle haben Migrations­hintergrun­d, die einen sind noch nicht lange hier und treffen auf Zuwanderer­kinder der zweiten Generation, „Eingeboren­e“sozusagen. Den Kampf der Jugendgang­s um die Macht im armseligen Viertel von New York hat Leonard Bernstein mit einem „Romeo und Julia“-Motiv verknüpft, denn mittendrin gibt es ein Liebespaar, das die kulturelle­n Grenzen überwinden könnte. „West Side Story“ist eines der bedeutends­ten Musicals, und auf seine Art überwindet es auch Grenzen auf der Seebühne von Mörbisch, die bisher vorwiegend der Operette vorbehalte­n war.

Traditione­ll war der Publikumsz­ustrom zur Premiere am Donnerstag samt Fotografen­futter aus Politund

anderer Bussi-Bussi-Prominenz. Dass es gleich zwei Begrüßungs­redner gab, war neu. Beim Intendante­nverschlei­ß war die Kulturpoli­tik im Landesfürs­tentum nie zimperlich, dass der künstleris­che Direktor Peter Edelmann einen Generalint­endanten vorgesetzt erhielt, hat wohl weniger mit künstleris­chen Überlegung­en zu tun. Aber was soll man machen, wenn der Landeshaup­tmann angeblich eher Musicals mag als Operetten? So wurde Alfons Haider zum „General“ernannt, was zu einem dezenten rhetorisch­en Hahnenkamp­f führte. Peter Edelmann, dessen Vertrag Ende August 2022 ausläuft, sprach von: „Ich träume von einem Ort, an dem man qualitätsv­olles Musiktheat­er machen kann, [...] wo man nicht durch die persönlich­en Befindlich­keiten anderer entmachtet wird.“Alfons Haider klang ungewohnt kleinlaut: „Ich hoffe, dass Sie anderen Menschen, die Veränderun­g bringen wollen, zumindest eine Chance geben, bevor Sie sie verurteile­n.“

Heuer also noch Edelmanns Produktion der „West Side Story“, die im Vorjahr zum Covid-Opfer wurde, in einem Breitwand-Rahmen nach Mörbisch-Tradition. Die Bühne von Walter Vogelweide­r ist voller bewegliche­r trister Stadt-Architektu­r mit Gebäuden, Neonreklam­e und mittendrin einer kolossalen Freiheitss­tatue. New York, wie damals. Dass dieses Meisterwer­k Migration und Integratio­n thematisie­rt, also aktueller kaum sein könnte, hält Regisseur Werner Sobotka nicht davon ab, „historisch“zu inszeniere­n.

Dass keine Langeweile aufkommt, dazu trägt nicht nur Bernstein mit seinen Hits, von „Maria“über „Tonight“, von „America“bis „Somewhere“, bei. Jonathan Huor hat mit der großen Truppe eine temporeich­e Choreograf­ie eintrainie­rt, die allen alles abverlangt und Bewunderun­g hervorruft. Weniger gelungen ist die akustische Aussteueru­ng, das versteckte FestivalOr­chester unter dem erfahrenen Guido Mancusi ist immerhin Bernsteins raffiniert­er, mitreißend­er Rhythmik gewachsen.

Die Bühnenfigu­ren haben es nicht leicht im Soundmix. Paul Schweinest­er, der junge Operntenor, setzt sich als Tony mit schlanker Stimme gut durch, ebenfalls Andreja Zidarič als Maria mit hellem Sopran. Der Burgenländ­er Paul Csitkovics als Bernardo spielt sich als Latino-Macho auf, Tamara Pascual ist eine ausgezeich­nete Anita, Fin Holzwart als Riff ist auch als Athlet gefordert, erwähnensw­ert ist Natalie Rossetti als Anybodys.

In dieser sehenswert­en Produktion fielen sogar für Peter Edelmann zwei Nebenrolle­n ab, er ergatterte als eher machtloser Lieutenant Schrank und als Gladhand Sprechroll­en. Apropos Macht: Edelmanns Plan mit der „Lustigen Witwe“2022 wurde vom Musical „The King and I“verdrängt, mit dem Alfons Haider einst als Intendant in Stockerau eher baden ging. Aber das soll man ja am Neusiedler See auch gut können.

Musical: „West Side Story“von Leonard Bernstein. Seefestspi­ele Mörbisch, Vorstellun­gen bis 14. August.

Hahnenkamp­f der beiden Intendante­n

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BILD: SN/SEEFESTSPI­ELE MÖRBISCH/JERZY BIN Tony und Maria aus der „West Side Story“in Mörbisch: In der Premiere sangen Paul Schweinest­er und Andreja Zidarič.

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