Qualität ist oft ein Vorbote für Quote: Puls 4 erhöht Druck auf ORF
Konkurrenz belebt: Die Sommergespräche auf Puls 4 erhöhen den Druck auf den ORF. Nicht wegen der Quote, sondern wegen der Qualität.
Montag ist die EURO vorbei und die wohl höchste Einschaltquote des Jahres für ORF 1 bekannt. Am Abend danach gibt es einen Elfmeter für Puls 4 vor einem Bruchteil des Publikums. Manuela Raidl führt ihr zweites Sommergespräch mit Pamela Rendi-Wagner. Aktuelle Brisanz erhält der Talk durch den Termin: Am 12. Juli endet die von Sebastian Kurz am 3. April ausgerufene Frist, dass „in den nächsten 100 Tagen jedem, der sich impfen lassen möchte, zumindest die erste Impfung“angeboten werde. Das könnte zum traditionell nachrichtenarmen Ferienbeginn in West- und Südösterreich ein Tagesthema sein und wäre ein ideales Spielfeld für die SPÖ-Chefin.
Die Gefahr, das Tor zu verfehlen, resultiert aber nicht nur aus der eigenen Schussschwäche, sondern auch aus der Unberechenbarkeit der Puls-4-Chefreporterin. Raidl hat in ihrem ersten Sommergespräch mit Beate Meinl-Reisinger eine sehr ansprechende Gratwanderung zwischen sachlicher Tiefe und sommerlicher Leichtigkeit geboten. Vereinzelte Häme im ORF (nicht von seinen Journalisten) über nur
38.000 Zuschauer für die kleine Konkurrenz darf nicht über die Qualität der Sendung hinwegtäuschen. Wenn Lou Lorenz-Dittlbacher am 9. August in der „Libelle“auf dem Wiener Museumsquartier die Neos-Chefin empfängt, werden intensive Politikbeobachter Vergleiche ziehen. Das ist der „ZiB 2“-Erprobten so klar wie dem Marketing von ORF und Puls 4. Aus diesem Grund setzt der Privatsender seine Talks einen Monat früher am gleichen Wochentag an.
Darum bewirbt der öffentlich-rechtliche Platzhirsch genau vor dieser Reihe sein Originalformat besonders stark. Es hat dieser Tage mindestens so viele Interviews mit LorenzDittlbacher gegeben wie mit Raidl. Das liegt nicht nur an Urlaubsplanung, denn die Gastgeberin der Jubiläumsausgabe 40 Jahre nach Erfindung der Sommergespräche ist seit April bekannt. Neben der Puls-4-Vorgabe entsteht auch im eigenen Haus so viel Druck wie selten auf den ORF-Start. Just am Tag danach ist die Wahl zum ORF-General.
Wenn der Vorabend für eine Kombination aus hoher Qualität und Quote sorgt, könnte das die Stimmung für Titelverteidiger Alexander Wrabetz heben – falls nicht längst alles ausgemacht ist. Er genießt ohnehin schon den Rückenwind steigender Marktanteile infolge der Fußball-EURO. Doch die Rechte für die nächsten Turniere liegen bei Servus TV. Die „Sommergespräche“dagegen kann dem ORF niemand wegnehmen. Qualität ist allerdings oft ein Vorbote kommender Quote. Deshalb ist Manuela Raidls Leistung mehr wert, als die Zuschauerzahl aussagt.