Salzburger Nachrichten

Keeper Pickford bislang Englands Erfolgsgar­ant

27-jähriger Torhüter leistete sich bei der Europameis­terschaft noch keinen schweren Patzer. Bei Everton stand er oftmals in der Kritik.

- SN, dpa

David Seaman ließ sich bei der Fußball-WM 2002 vom Brasiliane­r Ronaldinho aus 35 Metern per Freistoß überlupfen. Scott Carson fälschte in der EM-Qualifikat­ion 2008 gegen Kroatien einen Weitschuss aus ähnlicher Distanz ins eigene Tor ab. Joe Hart machte beim peinlichen Achtelfina­l-Aus bei der EM 2016 gegen Island eine alles andere als glückliche Figur. Auf YouTube finden sich noch heute Videos mit den größten Patzern englischer Torhüter. Die aktuelle Nummer eins, Jordan Pickford, fällt dagegen bisher äußerst positiv auf.

Bei der laufenden Europameis­terschaft erwies er sich als sicherer und souveräner Rückhalt für England. „Ich denke, Pickford ist bis jetzt Englands Spieler des Turniers“, sagte Ex-Nationalsp­ieler Gary Neville zuletzt über den Keeper des FC Everton. Vor dem Freistoßtr­effer des Dänen Mikkel Damsgaard im Halbfinale war Pickford sogar 725 Minuten ohne Gegentor geblieben, was zuvor in der englischen Geschichte noch nie einem Nationalto­rhüter gelungen war.

„Ich habe ihn in Everton kritisiert, aber im englischen Team ist er ein anderer Spieler“, sagte Neville. Tatsächlic­h gilt Pickford aufgrund seiner Leistungen im Verein auf der Insel nicht als unumstritt­en. Während er bei der EM bislang ohne Fehl und Tadel blieb, durchlebte er in Everton eine unbeständi­ge Saison. Pickford fiel dort eher durch

Unberechen­barkeit als durch Beständigk­eit auf. Im Derby gegen den FC Liverpool räumte er deren Abwehrchef Virgil van Dijk im vergangene­n Oktober derart heftig ab, dass der Niederländ­er sich einen Kreuzbandr­iss zuzog. Pickford wirkte nicht nur in diesem Spiel wild und übermotivi­ert.

Bei der EM gibt Pickford ein ganz anderes Bild ab. Dass die „Three

Lions“erst ein Gegentor kassiert haben, liegt natürlich auch an der starken Defensive um Abwehrchef Harry Maguire. Anders als in der Vergangenh­eit vertrauen die Verteidige­r aber auch darauf, dass sie einen souveränen Schlussman­n hinter sich haben. Mitunter wirkt Pickford gerade am Ball zwar immer noch etwas hektisch und unsicher. Aber er hält, was er halten muss. Den Rest räumen die Jungs vor ihm ab. „Für mich ist das sehr gut und schön“, sagte er zuletzt mit Blick auf seine Leistungen. „Aber das ist nicht allein mein Anteil, sondern der der ganzen Mannschaft.“

Seine größte Prüfung steht ihm allerdings noch bevor. Gegen die abgezockte­n Italiener muss er kühlen Kopf bewahren. Lässt er sich von den Emotionen der über 60.000 Zuschauer in Wembley anstecken, könnte er schnell zum Unsicherhe­itsfaktor werden. Aber jeder Fehler könnte am Sonntag der spielentsc­heidende sein. „Das ist eine große Motivation für uns, dass wir vor dieser Atmosphäre spielen können“, sagte Pickford. Nicht nur für ihn steht das größte Spiel seiner bisherigen Karriere an. Würde er im Finale patzen, könnte er bald auch in einem unrühmlich­en YouTube-Clip auftauchen. Das will er mit aller Macht verhindern.

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BILD: SN/AFP Seine ausufernde­n Emotionen könnten Jordan Pickford im Endspiel noch Probleme bereiten.

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