Empfiehlt Winzerin und Gin-Destillateurin Julica Renn Betriebsnachfolgerinnen und -nachfolgern.
Mehr als 300 Jahre. So lang ist die Geschichte von Julica Renns Familienunternehmen Burgunderhof. In der langen Zeit hat sich viel getan in dem Unternehmen. Der Burgunderhof in Hagnau ist das erste ökologisch arbeitende Weingut am Bodensee. Auch eine Destillerie und eine Hotelanlage gehören heute zu dem Betrieb. „Wenn man Nachfolger ist, übernimmt man nicht einfach, sondern baut selber etwas Neues daraus auf“, beschreibt Julica Renn, was sie sich von ihren Eltern im Familienbetrieb abgeschaut hat. Diese Einstellung habe sie sich zu Herzen genommen. Wenn Kinder ihren Eltern im Betrieb nachfolgten, bräuchten sie ihr eigenes „Baby“. Die 33-Jährige hat ihr Projekt gefunden und entwickelte ihren eigenen Gin „Mile High 69®“. Die Geschichte des Weinguts war dabei hilfreich. Renn profitierte bei der Entwicklung ihres Produkts von mehr als 300 Jahren Erfahrung, Tradition und Wissen, das in der Winzerfamilie immer von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch geschenkt wurde ihr nichts. Die Latte lag hoch, ist doch ihr Vater Heiner Renn für seine edlen Obstbrände und seine international prämierten Weine bekannt. Auch als Frau in einem traditionell mehrheitlich von Männern ausgeübten Beruf stieß die junge Winzerin auf Skepsis. Renn: „In der Branche Alkohol und besonders beim Ginbrauen sind 80 Prozent Männer. Manche älteren Männer sagten mir, ich soll doch die Männer machen lassen. So ein hartes Geschäft sei nichts für eine zarte Frau wie mich.“
Der Burgunder-Hof-Geschäftsführerin habe diese Skepsis noch einen zusätzlichen Boost gegeben, richtig Gas zu geben. „Ich habe das mit einem lachenden Auge genommen. An solche Grenzen stößt man“, sagt die Bodenseerin. Seit sie mit ihrem ersten eigenen Projekt erfolgreich sei, kämen immer wieder Frauen auf sie zu, um sich Tipps für ihre eigene Karriere zu holen. In Frauen-Karrierenetzwerken wie nushu gibt sie diese inzwischen des Öfteren. „Bei Frauen kommt es immer mehr an, sich miteinander zu vernetzen und dadurch beruflich mehr zu erreichen“, so Renn. Mit ihren Empfehlungen will die junge Unternehmerin anderen Frauen Mut machen, mehr zu wagen, statt zu artig zu sein. Für Männer können die Tipps gleichermaßen hilfreich sein.
Um sich zu behaupten und seinen eigenen Weg zu finden, ist für Julica Renn eine abgeschlossene Ausbildung oder ein akademischer Grad wichtig. Stehe man unter dem Druck, den elterlichen Betrieb einmal zu übernehmen, solle der Blick nicht eingeengt bleiben. Die Winzerin hat deshalb Betriebswirtschaftslehre studiert und ein Studium für Familienunternehmer angehängt. Zusätzlich lernte sie das Anwaltshandwerk kennen, indem sie als Praktikantin in einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitete, und konnte den deutschen Regierungssprecher begleiten, als sie im Bundespresseamt schnupperte. Renn: „So konnte ich herausfinden, was mit liegt. Man wird gefestigter in seinem Weg.“Eine solide Ausbildung samt Praktika sieht sie als die grundlegende Basis für das Gründen.
Im nächsten Schritt geht es ans Fokussieren, was man eigentlich will. „Wo stehe ich, wo möchte ich hin und wie komme ich hin?“, lauten die zentralen Fragen. Sie stelle sich diese immer wieder, schildert Renn. Momentan wolle sie weiter ausbauen und auch alkoholfreie Produkte erzeugen. Wobei die Gründerin voreilige Hoffnungen dämpft: „Ich darf natürlich nicht erwarten, dass das über Nacht funktioniert.“
Langfristig zu denken führe nachhaltig zu guten Ergebnissen. Die neue Ginmarke vom Bodensee wurde schnell erfolgreich, schon binnen eines Jahres gab es gute Umsätze. Heute weiß Renn: „Das Geld gehört einem nicht zu hundert Prozent, man hat hohe Verpflichtungen. Im Nachhinein kamen Zollforderungen und Markenkosten auf mich zu, das ist nicht zu unterschätzen.“Gründern rät sie, sich nicht blenden zu lassen, sondern sich Zeit zu nehmen, ihr Projekt auf gute Beine zu stellen.
Nachfolger/-innen im Familienunternehmen, die sich wie sie selbst verwirklichen wollen, sollten auf beides abzielen: die Kräfte auf ihr eigenes Projekt richten und den Betrieb in die Zukunft führen. So könne es gelingen, Tradition und Moderne zu verbinden. Herausfordernd sei das immer: „Als ich mehr als ein Jahr auf meinen Gin hingearbeitet hatte, war ich überzeugt, es wird prima, doch in der Nacht bevor ich die erste Flasche verkaufte, bekam ich Panik. Aber er gefiel.“Wichtig sei, seinem Herzen zu folgen und auf etwas zu setzen, von dem man selbst überzeugt sei. Dabei spielt auch der Bauch eine Rolle. Ihr Bauchgefühl habe sie die Chance, mit einem großen Händler zusammenzuarbeiten, ablehnen lassen. Die Zusammenarbeit hätte der Marke nicht gutgetan, das habe sich im Nachhinein gezeigt. Gedanklich abschalten sei ebenfalls zentral, so Renn, die im Freundeskreis genauso wie über den Wolken am Steuer ihres Helikopters „herunterkommt“.