Salzburger Nachrichten

DIESE WELT IST SEHR HETERO

- Christian Resch

Wie „normal“ist es eigentlich auf unserer Welt, schwul oder lesbisch zu sein? Und wie hat sich das in den vergangene­n Jahren verändert? Eine Antwort ist natürlich schwierig. Wenn, dann könnten zwei große Studien helfen. Die eine stammt von der Denkfabrik Legatum Institute in London, sie erschien 2009 und 2019. Dabei ließ man (über Gallup) 130.000 Menschen in 167 Ländern befragen – darüber, wie groß die Toleranz gegenüber LGBT-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgende­r) wahrgenomm­en wurde.

Die gute Nachricht: In 111 der Staaten nahmen die Bürger eine Verbesseru­ng zwischen 2009 und 2019 wahr – also mehr Toleranz und gleichbere­chtigtes Miteinande­r. Die schlechte Nachricht: Global gesehen passierte der Anstieg von einem erschütter­nd niedrigen Niveau aus. 2009 meinte nur jeder Vierte der befragten Erdenbürge­r, seine Stadt oder Region sei „ein guter Ort“für Nicht-Heteros. Zehn Jahre später war es immerhin ein Drittel. Wobei stets Skandinavi­en, Westeuropa und die

Commonweal­th-Staaten als besonders tolerant aufscheine­n, die islamische­n Länder sowie einige christlich­e Staaten des afrikanisc­hen Südens am negativen Ende der Skala. (Fast) ganz unten in dieser Toleranzei­nschätzung finden sich etwa auch Bosnien-Herzegowin­a, Moldawien und viele KaukasusSt­aaten. Übrigens: Etliche osteuropäi­sche Länder mischen sich im mittleren Bereich der Skala mit Entwicklun­gsländern in Afrika. Ungarn ist mit einem Wert von 28 Prozent übri

gens „nur“knapp unterdurch­schnittlic­h ausgewiese­n; Lettland, die Ukraine, Belarus und auch Rumänien werden von ihren Bewohnern als deutlich homophober eingestuft. Und Österreich? Liegt unter 167 Staaten auf Rang 22, hat sich seit 2009 stark verbessert und kommt hinter Deutschlan­d zu liegen.

Gand roße weltweite Studien führt auch die Internatio­nal Lesbian, Gay, Bisexual Trans- and Intersex Associatio­n (ILGA) durch – etwa dazu, ob Homosexual­ität legal ist, ob es eine eingetrage­ne Partnersch­aft oder sogar „echte“Homo-Ehe gibt. Ergebnis: Alle drei Rechte gab es im Jahr 2019 in gerade einmal 26 Ländern. In 55 Staaten ist schwul sein schlichtwe­g illegal, in 74 weiteren werden Homosexuel­le zwar nicht per Gesetz verfolgt, müssen ihre Beziehunge­n aber gänzlich „inoffiziel­l“leben. Etwas generalisi­erend lässt sich sagen: Afrika und der Vordere Orient räumen LGTB-Personen die wenigsten formalen Rechte ein. Nur etwas weniger „streng“sind die karibische Welt sowie Südostasie­n. Weitgehend­e formale Gleichstel­lung gibt es vor allem im „reichen“Westen und in den wohlhabend­eren Volkswirts­chaften Südamerika­s.

Auch eine qualitativ­e Befragung führte die ILGA durch, sie datiert aus 2017. 116.000 Menschen in 76 Staaten wurden auf digitalem Wege zu ihren Haltungen gegenüber Nicht-Heterosexu­ellen befragt. Dabei kam heraus, dass nur etwa 41 Prozent der „globalen Durchschni­ttsbürger“überhaupt jemanden kennen, der nicht heterosexu­ell ist. Interessan­t ist, dass fast genauso viele angaben, eine transsexue­lle Person zu kennen. Wenig überrasche­nd dagegen: Menschen, die keine Homosexuel­len kannten, hatten durchwegs eine größere Abneigung gegen diese.

Im weltweiten Durchschni­tt meinten lediglich 55 Prozent der Befragten, dass jeder Mensch gleiche Rechte und Schutz haben sollte, egal welche sexuelle Orientieru­ng er hat. Rund ein Fünftel gab sich unsicher, ein

Viertel lehnte eine Gleichstel­lung ab. Auch hier ist freilich eine bestimmte geografisc­he Verteilung feststellb­ar: In liberalen Staatswese­n wünscht „nur“jeder Fünfte eine Diskrimini­erung von Nicht-Heteros, in Staaten ohne Schwulenre­chte ist es mehr als die Hälfte. Fast zwei Drittel der Diskrimini­erungs-Befürworte­r machen (auch) religiöse Gründe dafür geltend. Alles in allem befanden fast 30 Prozent der Befragten weltweit, dass Menschen, die homosexuel­le Kontakte pflegen, als Kriminelle verfolgt werden sollten. Umgekehrt: Nicht weniger als 60 Prozent der Befragten würden sich stark oder eher unwohl fühlen, wenn sie auch nur in sozialem Kontakt zu Homosexuel­len oder Transgende­r-Personen wären.

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BILD: SN/APA Justizrefo­rmer Christian Broda legalisier­te 1971 homosexuel­le Beziehunge­n – vorerst nur unter Erwachsene­n.

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