DIESE WELT IST SEHR HETERO
Wie „normal“ist es eigentlich auf unserer Welt, schwul oder lesbisch zu sein? Und wie hat sich das in den vergangenen Jahren verändert? Eine Antwort ist natürlich schwierig. Wenn, dann könnten zwei große Studien helfen. Die eine stammt von der Denkfabrik Legatum Institute in London, sie erschien 2009 und 2019. Dabei ließ man (über Gallup) 130.000 Menschen in 167 Ländern befragen – darüber, wie groß die Toleranz gegenüber LGBT-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) wahrgenommen wurde.
Die gute Nachricht: In 111 der Staaten nahmen die Bürger eine Verbesserung zwischen 2009 und 2019 wahr – also mehr Toleranz und gleichberechtigtes Miteinander. Die schlechte Nachricht: Global gesehen passierte der Anstieg von einem erschütternd niedrigen Niveau aus. 2009 meinte nur jeder Vierte der befragten Erdenbürger, seine Stadt oder Region sei „ein guter Ort“für Nicht-Heteros. Zehn Jahre später war es immerhin ein Drittel. Wobei stets Skandinavien, Westeuropa und die
Commonwealth-Staaten als besonders tolerant aufscheinen, die islamischen Länder sowie einige christliche Staaten des afrikanischen Südens am negativen Ende der Skala. (Fast) ganz unten in dieser Toleranzeinschätzung finden sich etwa auch Bosnien-Herzegowina, Moldawien und viele KaukasusStaaten. Übrigens: Etliche osteuropäische Länder mischen sich im mittleren Bereich der Skala mit Entwicklungsländern in Afrika. Ungarn ist mit einem Wert von 28 Prozent übri
gens „nur“knapp unterdurchschnittlich ausgewiesen; Lettland, die Ukraine, Belarus und auch Rumänien werden von ihren Bewohnern als deutlich homophober eingestuft. Und Österreich? Liegt unter 167 Staaten auf Rang 22, hat sich seit 2009 stark verbessert und kommt hinter Deutschland zu liegen.
Gand roße weltweite Studien führt auch die International Lesbian, Gay, Bisexual Trans- and Intersex Association (ILGA) durch – etwa dazu, ob Homosexualität legal ist, ob es eine eingetragene Partnerschaft oder sogar „echte“Homo-Ehe gibt. Ergebnis: Alle drei Rechte gab es im Jahr 2019 in gerade einmal 26 Ländern. In 55 Staaten ist schwul sein schlichtweg illegal, in 74 weiteren werden Homosexuelle zwar nicht per Gesetz verfolgt, müssen ihre Beziehungen aber gänzlich „inoffiziell“leben. Etwas generalisierend lässt sich sagen: Afrika und der Vordere Orient räumen LGTB-Personen die wenigsten formalen Rechte ein. Nur etwas weniger „streng“sind die karibische Welt sowie Südostasien. Weitgehende formale Gleichstellung gibt es vor allem im „reichen“Westen und in den wohlhabenderen Volkswirtschaften Südamerikas.
Auch eine qualitative Befragung führte die ILGA durch, sie datiert aus 2017. 116.000 Menschen in 76 Staaten wurden auf digitalem Wege zu ihren Haltungen gegenüber Nicht-Heterosexuellen befragt. Dabei kam heraus, dass nur etwa 41 Prozent der „globalen Durchschnittsbürger“überhaupt jemanden kennen, der nicht heterosexuell ist. Interessant ist, dass fast genauso viele angaben, eine transsexuelle Person zu kennen. Wenig überraschend dagegen: Menschen, die keine Homosexuellen kannten, hatten durchwegs eine größere Abneigung gegen diese.
Im weltweiten Durchschnitt meinten lediglich 55 Prozent der Befragten, dass jeder Mensch gleiche Rechte und Schutz haben sollte, egal welche sexuelle Orientierung er hat. Rund ein Fünftel gab sich unsicher, ein
Viertel lehnte eine Gleichstellung ab. Auch hier ist freilich eine bestimmte geografische Verteilung feststellbar: In liberalen Staatswesen wünscht „nur“jeder Fünfte eine Diskriminierung von Nicht-Heteros, in Staaten ohne Schwulenrechte ist es mehr als die Hälfte. Fast zwei Drittel der Diskriminierungs-Befürworter machen (auch) religiöse Gründe dafür geltend. Alles in allem befanden fast 30 Prozent der Befragten weltweit, dass Menschen, die homosexuelle Kontakte pflegen, als Kriminelle verfolgt werden sollten. Umgekehrt: Nicht weniger als 60 Prozent der Befragten würden sich stark oder eher unwohl fühlen, wenn sie auch nur in sozialem Kontakt zu Homosexuellen oder Transgender-Personen wären.