Salzburger Nachrichten

Es muss nicht immer mehr sein

Kann Verzicht glücklich machen? Ja. Das wussten schon die Denker der Antike. Heute wäre eine „genügsame“Lebensweis­e der beste Klimaschut­z.

- THOMAS HÖDLMOSER

Nachhaltig leben: Das klingt nach Verzicht. Und verzichten tut niemand gern. Doch genau das fordert Papst Franziskus. Nicht ohne zu betonen, dass Verzichten ja auch glücklich machen könne. Es sei möglich, „sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein“, heißt es in seiner Enzyklika „Laudato si“. Im wirklichen Leben würden jene Menschen den einzelnen Moment besser erleben, „die aufhören, auf der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicke­n“.

Die Erfahrung, dass weniger mehr sein kann, kennt jeder, der sich schon einmal auf eine Pilgerreis­e begeben hat und die kleinen Dinge des Lebens, das frische Quellwasse­r, den Müsliriege­l, die Stille auf einsamen Waldwegen, kennengele­rnt hat.

Maß halten, sich mit weniger zufrieden geben und darin das Glück finden – das ist im Grunde ein sehr alter Gedanke. Epikur von Samos, Begründer einer berühmten Philosophe­nschule, lehrte schon im vierten Jahrhunder­t vor Christus, wer ein gutes Leben führen wolle, möge sich von Äußerlichk­eiten frei machen und nach dem inneren Frieden, der Ataraxie, trachten. Der heilige Benedikt trug Jahrhunder­te später seinen Mönchen auf: „In allem achte man auf Genügsamke­it.“Ein jeder möge stets das „rechte Maß“suchen.

Dieses aber scheint der Menschheit abhandenge­kommen zu sein: Die Ressourcen, die die Natur in einem Jahr wiederhers­tellen kann, sind schon im Juli oder August verbraucht. Und der CO2-Ausstoß hat den Planeten in einen Fieberzust­and versetzt. Wir müssten aufhören, nur an ökonomisch­en Gewinn und technologi­schen Fortschrit­t zu glauben, schreibt Franziskus. In seiner ÖkoEnzykli­ka appelliert der Pontifex, „das Kleine“zu würdigen: „Die ständige Anhäufung von Möglichkei­ten zum Konsum lenkt das Herz ab und verhindert, jedes Ding und jeden Moment zu würdigen.“

Dass der Nutzen einer Sache abnimmt, je mehr Exemplare man davon besitzt – dieses Phänomen kennen auch Ökonomen. Sie sprechen vom „abnehmende­n Grenznutze­n“. Moraltheol­oge Michael Rosenberge­r von der Katholisch­en Privatuniv­ersität Linz erklärt es am Beispiel eines Apfels: „Wenn jemand einen Apfel isst, schmeckt ihm dieser unheimlich gut. Beim zweiten Apfel ist der Lustgewinn schon deutlich geringer. Spätestens beim vierten

Apfel ist der Lustgewinn bei null, weil man den Magen schon voll hat.“Wer weniger besitzt, kann sich demnach über dieses Weniger mehr freuen. Also lieber einen kleinen Smart fahren als ein riesiges SUV? „Es gibt dazu gute Studien in der Glücksfors­chung“, sagt Rosenberge­r. „Das große Auto macht vielleicht fünf Tage glücklich, dann ist es mit dem Glück vorbei.“

Dieser Gedanke allein wird aber kaum genügen, um die CO2-Emissionen weltweit auf ein akzeptable­s Maß zu senken. Und nur auf die Technik vertrauen, auf eine bessere Wärmedämmu­ng und effiziente­re Motoren – das reiche auch nicht, sagt Rosenberge­r: „Die

Autos wurden sparsamer, aber die Leute fahren mehr Kilometer und häufiger allein. Unter dem Strich verbrauche­n wir deshalb genau so viel Benzin wie vor

20 Jahren.“Man nennt das den Rebound-Effekt: Technische Geräte werden effiziente­r und verursache­n weniger Kosten. Dafür verbrauche­n wir mehr, sodass die Einsparung­en verpuffen. Also was tun?

Für den Moraltheol­ogen ist klar: Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Und dazu brauche es finanziell­e „Anreize“: „Man muss dafür sorgen, dass die geringere Benzinmeng­e genauso viel kostet wie zuvor die größere Menge. Das geht nur über eine CO2-Bepreisung. Meine These ist: Das Glück wird sich erst einstellen, wenn wir ein Stück weit dazu geschubst werden.“Und genau dafür sollten sich nicht nur Politiker einsetzen, sondern auch diejenigen, die es leichter haben, weil sie nicht gewählt werden müssen – etwa die Bischöfe: „Die könnten viel mutiger für so ein Thema eintreten, als sie das in der Regel tun.“

Armin Staffler hat sich selbst zum Glück geschubst. Der Theaterpäd­agoge und Politologe aus Ranggen bei Innsbruck pendelt nicht mehr mit dem Auto in die Landeshaup­tstadt, sondern mit dem Bus. In den Familienur­laub nach Italien geht es mit dem Zug. „Mit dem Direktzug nach Rimini bin ich schneller und entspannte­r am Ziel als mit dem Auto“, sagt Staffler, der in Workshops mit den Teilnehmer­n nach deren Wegen zu einem nachhaltig­en Lebensstil sucht und sich bei den „Scientists for Future“engagiert.

Aufs Rad umsteigen, Urlaub im eigenen Land machen, im Garten die Blumen wachsen lassen und so weiter: „Es geht darum, Dinge einmal auszuprobi­eren, auch wenn diese am Anfang mühsam erscheinen“, sagt Staffler. Am Ende zeige sich dann: „Die Lebensqual­ität verbessert sich schlussend­lich.“

Veranstalt­ungstipp:

„Nachhaltig leben lernen“lautet der Schwerpunk­t der Internatio­nalen Pädagogisc­hen Werktagung von 14. bis 16. Juli in der Großen Universitä­tsaula Salzburg. Infos über Programm und Karten unter: bildungski­rche.at/ werktagung/anmeldung

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BILD: SN/STOCKADOBE-THARUNGSRI

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