Es muss nicht immer mehr sein
Kann Verzicht glücklich machen? Ja. Das wussten schon die Denker der Antike. Heute wäre eine „genügsame“Lebensweise der beste Klimaschutz.
Nachhaltig leben: Das klingt nach Verzicht. Und verzichten tut niemand gern. Doch genau das fordert Papst Franziskus. Nicht ohne zu betonen, dass Verzichten ja auch glücklich machen könne. Es sei möglich, „sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein“, heißt es in seiner Enzyklika „Laudato si“. Im wirklichen Leben würden jene Menschen den einzelnen Moment besser erleben, „die aufhören, auf der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicken“.
Die Erfahrung, dass weniger mehr sein kann, kennt jeder, der sich schon einmal auf eine Pilgerreise begeben hat und die kleinen Dinge des Lebens, das frische Quellwasser, den Müsliriegel, die Stille auf einsamen Waldwegen, kennengelernt hat.
Maß halten, sich mit weniger zufrieden geben und darin das Glück finden – das ist im Grunde ein sehr alter Gedanke. Epikur von Samos, Begründer einer berühmten Philosophenschule, lehrte schon im vierten Jahrhundert vor Christus, wer ein gutes Leben führen wolle, möge sich von Äußerlichkeiten frei machen und nach dem inneren Frieden, der Ataraxie, trachten. Der heilige Benedikt trug Jahrhunderte später seinen Mönchen auf: „In allem achte man auf Genügsamkeit.“Ein jeder möge stets das „rechte Maß“suchen.
Dieses aber scheint der Menschheit abhandengekommen zu sein: Die Ressourcen, die die Natur in einem Jahr wiederherstellen kann, sind schon im Juli oder August verbraucht. Und der CO2-Ausstoß hat den Planeten in einen Fieberzustand versetzt. Wir müssten aufhören, nur an ökonomischen Gewinn und technologischen Fortschritt zu glauben, schreibt Franziskus. In seiner ÖkoEnzyklika appelliert der Pontifex, „das Kleine“zu würdigen: „Die ständige Anhäufung von Möglichkeiten zum Konsum lenkt das Herz ab und verhindert, jedes Ding und jeden Moment zu würdigen.“
Dass der Nutzen einer Sache abnimmt, je mehr Exemplare man davon besitzt – dieses Phänomen kennen auch Ökonomen. Sie sprechen vom „abnehmenden Grenznutzen“. Moraltheologe Michael Rosenberger von der Katholischen Privatuniversität Linz erklärt es am Beispiel eines Apfels: „Wenn jemand einen Apfel isst, schmeckt ihm dieser unheimlich gut. Beim zweiten Apfel ist der Lustgewinn schon deutlich geringer. Spätestens beim vierten
Apfel ist der Lustgewinn bei null, weil man den Magen schon voll hat.“Wer weniger besitzt, kann sich demnach über dieses Weniger mehr freuen. Also lieber einen kleinen Smart fahren als ein riesiges SUV? „Es gibt dazu gute Studien in der Glücksforschung“, sagt Rosenberger. „Das große Auto macht vielleicht fünf Tage glücklich, dann ist es mit dem Glück vorbei.“
Dieser Gedanke allein wird aber kaum genügen, um die CO2-Emissionen weltweit auf ein akzeptables Maß zu senken. Und nur auf die Technik vertrauen, auf eine bessere Wärmedämmung und effizientere Motoren – das reiche auch nicht, sagt Rosenberger: „Die
Autos wurden sparsamer, aber die Leute fahren mehr Kilometer und häufiger allein. Unter dem Strich verbrauchen wir deshalb genau so viel Benzin wie vor
20 Jahren.“Man nennt das den Rebound-Effekt: Technische Geräte werden effizienter und verursachen weniger Kosten. Dafür verbrauchen wir mehr, sodass die Einsparungen verpuffen. Also was tun?
Für den Moraltheologen ist klar: Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Und dazu brauche es finanzielle „Anreize“: „Man muss dafür sorgen, dass die geringere Benzinmenge genauso viel kostet wie zuvor die größere Menge. Das geht nur über eine CO2-Bepreisung. Meine These ist: Das Glück wird sich erst einstellen, wenn wir ein Stück weit dazu geschubst werden.“Und genau dafür sollten sich nicht nur Politiker einsetzen, sondern auch diejenigen, die es leichter haben, weil sie nicht gewählt werden müssen – etwa die Bischöfe: „Die könnten viel mutiger für so ein Thema eintreten, als sie das in der Regel tun.“
Armin Staffler hat sich selbst zum Glück geschubst. Der Theaterpädagoge und Politologe aus Ranggen bei Innsbruck pendelt nicht mehr mit dem Auto in die Landeshauptstadt, sondern mit dem Bus. In den Familienurlaub nach Italien geht es mit dem Zug. „Mit dem Direktzug nach Rimini bin ich schneller und entspannter am Ziel als mit dem Auto“, sagt Staffler, der in Workshops mit den Teilnehmern nach deren Wegen zu einem nachhaltigen Lebensstil sucht und sich bei den „Scientists for Future“engagiert.
Aufs Rad umsteigen, Urlaub im eigenen Land machen, im Garten die Blumen wachsen lassen und so weiter: „Es geht darum, Dinge einmal auszuprobieren, auch wenn diese am Anfang mühsam erscheinen“, sagt Staffler. Am Ende zeige sich dann: „Die Lebensqualität verbessert sich schlussendlich.“
Veranstaltungstipp:
„Nachhaltig leben lernen“lautet der Schwerpunkt der Internationalen Pädagogischen Werktagung von 14. bis 16. Juli in der Großen Universitätsaula Salzburg. Infos über Programm und Karten unter: bildungskirche.at/ werktagung/anmeldung