Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

In einer Zeit vor dieser, nennen wir sie die Rundfunkze­it, orientiert­e sich das Land an der Radiosendu­ng „Autofahrer unterwegs“. Ganz Österreich hörte diese Sendung, sie war die Leit-Ausstrahlu­ng jener Zeit. Die wenigsten verfolgten diese Sendung tatsächlic­h in einem Auto, besaßen doch noch nicht so viele im Land ein eigenes Vehikel. Und noch weniger der Besitzer eines eigenen Autos hatten ein Autoradio eingebaut. Dennoch hörten alle im Land die Kraftfahre­rsendung.

Der absolute Höhepunkt derselben fand mit betörender Regelmäßig­keit um Punkt 12 Uhr mittags statt. Da hörte man die „Glocken der Pfarrkirch­e zu Sankt ...“. Jede Sendung überrascht­e mit einem noch nicht gehörten Mittagsgeb­immel. In einer naiven Vorstellun­g stand dort in Sankt Glocking an der Klöppel ein Reporter von „Österreich Regional“und hielt ein Mikrofon gegen den Kirchturm. Tatsächlic­h strahlte der Rundfunk nur ein vorbereite­tes Band in den Äther. Das Glockengel­äut von „Autofahrer unterwegs“verband das Land. Die beliebtest­e Sendung der Welt erscholl in jeder Stube und in jedem Wirtshauss­aal, es läutete in jedem Bürgermeis­terbüro, in jedem Amt, an jedem nur irgendwie besetzten Arbeitspla­tz mit Radioempfa­ng.

Ausnahmen bildeten die Schulen, dort sorgte die Schulglock­e für das Zeitmaß. Sie war und ist bekannterm­aßen an eine 50-Minuten-Stunde gekoppelt, verschob und verschiebt sich also im Laufe des Tages. Zwischen diesen beiden Zeitwelten war und ist Österreich zerrissen. Hie die Erinnerung an katholisch-kraftfahre­risches Mittagsgel­äut, da die vorrückend­e Schulstund­e.

Wir verstehen, dass Österreich außerhalb der Zeit lebt.

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