DIE ILLUSTRIERTE KOLUMNE
In einer Zeit vor dieser, nennen wir sie die Rundfunkzeit, orientierte sich das Land an der Radiosendung „Autofahrer unterwegs“. Ganz Österreich hörte diese Sendung, sie war die Leit-Ausstrahlung jener Zeit. Die wenigsten verfolgten diese Sendung tatsächlich in einem Auto, besaßen doch noch nicht so viele im Land ein eigenes Vehikel. Und noch weniger der Besitzer eines eigenen Autos hatten ein Autoradio eingebaut. Dennoch hörten alle im Land die Kraftfahrersendung.
Der absolute Höhepunkt derselben fand mit betörender Regelmäßigkeit um Punkt 12 Uhr mittags statt. Da hörte man die „Glocken der Pfarrkirche zu Sankt ...“. Jede Sendung überraschte mit einem noch nicht gehörten Mittagsgebimmel. In einer naiven Vorstellung stand dort in Sankt Glocking an der Klöppel ein Reporter von „Österreich Regional“und hielt ein Mikrofon gegen den Kirchturm. Tatsächlich strahlte der Rundfunk nur ein vorbereitetes Band in den Äther. Das Glockengeläut von „Autofahrer unterwegs“verband das Land. Die beliebteste Sendung der Welt erscholl in jeder Stube und in jedem Wirtshaussaal, es läutete in jedem Bürgermeisterbüro, in jedem Amt, an jedem nur irgendwie besetzten Arbeitsplatz mit Radioempfang.
Ausnahmen bildeten die Schulen, dort sorgte die Schulglocke für das Zeitmaß. Sie war und ist bekanntermaßen an eine 50-Minuten-Stunde gekoppelt, verschob und verschiebt sich also im Laufe des Tages. Zwischen diesen beiden Zeitwelten war und ist Österreich zerrissen. Hie die Erinnerung an katholisch-kraftfahrerisches Mittagsgeläut, da die vorrückende Schulstunde.
Wir verstehen, dass Österreich außerhalb der Zeit lebt.