Der Aktenstreit geht ins Finale
Neue exekutierte Akten im U-Ausschuss – aber kein Zugriff übers Wochenende. Hat Blümel dem „Parlament wesentliche Informationen verheimlicht“? Noch drei Tage bis zur letzten Sitzung.
Neue Akten im U-Ausschuss – aber kein Zugriff übers Wochenende. Hat Blümel Wesentliches verheimlicht?
WIEN. Nachdem am Freitag das Wiener Straflandesgericht im Exekutionsauftrag des Bundespräsidenten umfangreichste Akten aus dem Finanzministerium an den Ibiza-U-Ausschuss geliefert hatte, kommen die Ausschuss-Abgeordneten und ihre Mitarbeiter noch einmal gehörig unter (Arbeits-)Druck. Sie müssen die Akten mit dem bisher gelieferten Datenmaterial aus dem Finanzministerium abgleichen – und das bis zum letzten Beweisaufnahmetag am Donnerstag. Erschwerung: Am Wochenende gab es keinen Zutritt zum Aktenraum mit den neuen Daten.
Auch Minister Gernot Blümel könnte noch einmal unter Druck geraten: Der SPÖ-Fraktionschef im Ausschuss, Jan Krainer, erklärt den SN, man habe schon bei „einer ersten Durchsicht“gesehen, „dass Blümel gegenüber dem Parlament wesentliche Informationen verheimlicht hat“.
Die mit der Exekution beauftragte Strafrichterin hatte sich die vom Ausschuss angeforderten Mails und Dateien nicht nur über das Ministerium, sondern auch gleich direkt über das Bundesrechenzentrum besorgt. Es gibt, wie die SN am Sonntag erfuhren, unter den gelieferten Akten etwa einen Ordner, den die Oppositionsabgeordneten zwar noch nicht durchsehen konnten, von dem man sich im Ausschuss aber einige Aufschlüsse erhofft. Er trägt den Titel: „deleted messages“. Unter den Daten sollen zudem brisante neue Mails über geplante Privatisierungen sein.
Die grüne Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Nina Tomaselli, gibt sich im SN-Gespräch zurückhaltender: „Es sind Akten dabei, die ich bisher nicht gekannt habe und die ich für inhaltlich relevant halte.“Ob diese Akten zuvor schon in Geheimhaltungsstufe zwei oder drei geliefert worden seien, könne sie aber nicht sagen, denn am Freitag habe es nur eineinhalb Stunden zum Sichten gegeben.
Das Finanzministerium hatte ursprünglich Mitarbeiter ihre Mails selbst sammeln, private Mails aussortieren und eine Vollständigkeitserklärung unterschreiben lassen, bevor sie in Papierform ausgedruckt worden waren. Geliefert waren die Akten erst dann worden, als der VfGH Anfang Mai den Bundespräsidenten mit der Exekution der bis dahin nicht passierten Aktenlieferung beauftragt hatte. Die Opposition monierte, es seien von Blümel nur Teile der angeforderten Akten geliefert worden, worauf der Bundespräsident („Die einen sagen so, die anderen sagen so“) salomonisch eine Exekution der vom VfGH angeordneten Aktenlieferung durch eine Richterin anordnete. Diese Lieferung
passierte am Freitag – wenige Tage vor dem letzten Beweisaufnahmetag im Ausschuss, bei dem am Donnerstag Ex-Vizekanzler HC Strache erwartet und der untergetauchte Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid nicht mehr erwartet wird.
Da es für eine Verlängerung des Ausschusses keine Mehrheit gab, schreibt nach dem 15. Juli der Verfahrensrichter einen Bericht, bis Mitte August werden die Fraktionsberichte folgen. Am 22. September kommen die Berichte auf die Tagesordnung des Parlaments, werden diskutiert und „zur Kenntnis genommen“. Alle Akten und Daten des Ausschusses werden gelöscht.
Blümel hatte am Freitag in einer eher defensiv angelegten Pressekonferenz ein viertes, diesmal 43seitiges Rechtsgutachten vorgelegt, das ihm bescheinigt, bei der Aktenlieferung rechtlich alles richtig gemacht zu haben. Bundespräsident Van der Bellen hat, sollte anderes ans Licht kommen, rechtlich keine Möglichkeit, gegen den Finanzminister aktiv zu werden: Zu einer Entlassung muss der Bundeskanzler einen Minister vorschlagen oder ein Misstrauensantrag im Parlament müsste eine Mehrheit finden.