Die EURO half, das Hochgefühl wiederzufinden
Das Fußball-Großereignis schaffte den Spagat zwischen Vereinnahmung und Signal für die Rückkehr zur Lebensfreude.
Was wird von dieser Fußball-Europameisterschaft in Erinnerung bleiben? Endlose Diskussionen über zulässige Zuschauermengen in den Stadien, Teams als Flugmeilensammler, Regenbogenfarben auf Stadien, chinesische Schriftzeichen auf den Werbebanden? Oder doch auch die Sololäufe von Raheem Sterling, die Tore von Cristiano Ronaldo und die Renaissance von Italiens Squadra Azzurra?
Dass sich der Fußball bei diesem Fußballevent öfter einmal mit einer Nebenrolle begnügen musste, kam nicht wirklich überraschend. Die Kombination aus paneuropäischem Turnierformat und Pandemie musste zwangsläufig zu lauten Nebengeräuschen führen. Das Experiment mit einer auf ganz Europa verstreuten EURO wäre freilich auch dann als misslungen beurteilt worden, wenn es Covid-19 nicht gegeben hätte. Wenn die einen für ihre Spiele Tausende Kilometer über den Kontinent hetzen, ein Team wie England hingegen fast nur Heimspiele hat, kann von einem fairen Turnier keine Rede sein.
Bei der UEFA hat man diesen Fehler eingesehen. Davon abgesehen hat die viel gescholtene europäische Fußballunion ihre Rolle als Turnierveranstalter nicht so schlecht hinbekommen. Sie hat richtig gehandelt, sich der politischen Vereinnahmung in der Regenbogenfarben-Debatte zu entziehen. Es ist nicht Aufgabe einer Sportinstitution, die Hilflosigkeit der Europäischen Union im Umgang mit dem renitenten Mitglied Ungarn zu kaschieren.
Die Konzentration galt bei der UEFA aber vor allem ihrer Kernkompetenz, nämlich das Produkt Fußball zu vermarkten. Ein Produkt, das unter der Pandemie kräftig gelitten hat. Daher musste die EURO andere Bilder vom Fußball liefern als jene, an die man sich in den vergangenen 17 Monaten schon gewöhnt hatte. Die Rückkehr der Fanmassen mag ein Risiko gewesen sein. Aber sie ist von den Organisatoren nach bestem Wissen und Gewissen kontrolliert worden. Es gibt im Moment genügend Anlässe, bei denen die Sorgfalt im Umgang mit dem Virus bei Weitem lascher ist.
Das Comeback eines Fußballs wie früher belebt nicht nur das Geschäft, es war auch ein wichtiges Signal an eine Gesellschaft, die nach Corona erst wieder lernen muss, sich unbeschwert zu freuen. „Menschen sind Hochgefühlssucher“, sagte der Philosoph Peter Sloterdijk dieser Tage in einem sportlichen Kontext. Spätestens bei den Bildern aus menschenleeren olympischen Wettkampfstätten in Tokio werden wir uns wehmütig an die EURO zurückerinnern.