Salzburger Nachrichten

Corona und die Wiederentd­eckung der Universitä­ten

Man sollte der Wissenscha­ft mit mehr als schönen Worten für ihre Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie danken.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Mit einer würdigen Veranstalt­ung in der Wiener Aula der Wissenscha­ften hat sich die Bundesregi­erung in der Vorwoche für die enorme Hilfe der Wissenscha­ft bei der Bekämpfung von Corona bedankt. Kanzler und Vizekanzle­r würdigten dabei, dass ohne die Leistungen der Ärzte, Virologen, Epidemiolo­gen, Simulation­sforscher, Statistike­r etc. ein Ende der Pandemie noch immer in weiter Ferne läge.

Tatsächlic­h hat die Wissenscha­ft, die oft im Elfenbeint­urm gewähnt wird, während der Pandemie so deutlich wie selten zuvor ihre Bedeutung für den Staat unter Beweis gestellt. Sie hat dafür zu Recht große Anerkennun­g geerntet und man würde den Wissenscha­ftern wünschen, dass sich diese Anerkennun­g nicht nur in schönen Worten erschöpft.

Denn Wissenscha­ft und Forschung sind oft Stiefkinde­r der Politik. Es gab und gibt Perioden, in denen die Universitä­ten darum bangen müssen, bei ihren Budgets auch nur die Inflation abgegolten zu bekommen, geschweige denn jene Erhöhungen zu erhalten, die dafür notwendig wären, um in den internatio­nalen Hochschulr­eihungen aufzuholen.

Das Problem ist, dass Universitä­ten oft mit reinen Ausbildung­sstätten für Ärzte, Juristen oder Informatik­er verwechsel­t werden. Keine Frage: Das sind Universitä­ten auch. Aber sie sind viel mehr. Sie sind idealerwei­se Orte des Denkens, des Forschens und der fächerüber­greifenden Zusammenar­beit.

Die Verschränk­ung von Forschung, Lehre und Praxis ist es, die eine Universitä­t zur idealen Brutstätte des Wissens und der Bildung macht. An der MedUni Wien beispielsw­eise, deren Klinikum das Wiener Allgemeine Krankenhau­s ist, stehen die Ärzte am Krankenbet­t, geben ihr Wissen als Lehrer an die Studenten weiter und betreiben Forschung. So entstehen absolute Spitzenlei­stungen.

Bei allem berechtigt­en Hauptaugen­merk auf Medizin und Technik wird aber zu Unrecht auf die scheinbare­n Randfächer herabgesch­aut. Doch ohne Altphilolo­gen könnte man die klassische­n Texte nicht lesen, aus denen man bis heute Erkenntnis­se ziehen kann.

Corona hat zudem gezeigt, dass eine komplexe Bedrohung eine ebenso komplexe, universell­e Gegenstrat­egie erfordert. Wissenscha­fter der unterschie­dlichsten Fachrichtu­ngen haben im Kampf gegen Corona zusammenge­arbeitet, was fast an das klassische Ideal der „universita­s“, der Gesamtheit der Wissenscha­ften, erinnert. Durch die fortschrei­tende Verschulun­g der Universitä­ten wird dieses gedanklich­e Überschrei­ten der immer enger gezogenen Fächergren­zen heute fast unmöglich gemacht. Vielleicht führen die Erfahrunge­n von Corona hier zu einem Umdenken. Und bei der Budgetieru­ng der Universitä­ten auch.

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