Corona und die Wiederentdeckung der Universitäten
Man sollte der Wissenschaft mit mehr als schönen Worten für ihre Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie danken.
Mit einer würdigen Veranstaltung in der Wiener Aula der Wissenschaften hat sich die Bundesregierung in der Vorwoche für die enorme Hilfe der Wissenschaft bei der Bekämpfung von Corona bedankt. Kanzler und Vizekanzler würdigten dabei, dass ohne die Leistungen der Ärzte, Virologen, Epidemiologen, Simulationsforscher, Statistiker etc. ein Ende der Pandemie noch immer in weiter Ferne läge.
Tatsächlich hat die Wissenschaft, die oft im Elfenbeinturm gewähnt wird, während der Pandemie so deutlich wie selten zuvor ihre Bedeutung für den Staat unter Beweis gestellt. Sie hat dafür zu Recht große Anerkennung geerntet und man würde den Wissenschaftern wünschen, dass sich diese Anerkennung nicht nur in schönen Worten erschöpft.
Denn Wissenschaft und Forschung sind oft Stiefkinder der Politik. Es gab und gibt Perioden, in denen die Universitäten darum bangen müssen, bei ihren Budgets auch nur die Inflation abgegolten zu bekommen, geschweige denn jene Erhöhungen zu erhalten, die dafür notwendig wären, um in den internationalen Hochschulreihungen aufzuholen.
Das Problem ist, dass Universitäten oft mit reinen Ausbildungsstätten für Ärzte, Juristen oder Informatiker verwechselt werden. Keine Frage: Das sind Universitäten auch. Aber sie sind viel mehr. Sie sind idealerweise Orte des Denkens, des Forschens und der fächerübergreifenden Zusammenarbeit.
Die Verschränkung von Forschung, Lehre und Praxis ist es, die eine Universität zur idealen Brutstätte des Wissens und der Bildung macht. An der MedUni Wien beispielsweise, deren Klinikum das Wiener Allgemeine Krankenhaus ist, stehen die Ärzte am Krankenbett, geben ihr Wissen als Lehrer an die Studenten weiter und betreiben Forschung. So entstehen absolute Spitzenleistungen.
Bei allem berechtigten Hauptaugenmerk auf Medizin und Technik wird aber zu Unrecht auf die scheinbaren Randfächer herabgeschaut. Doch ohne Altphilologen könnte man die klassischen Texte nicht lesen, aus denen man bis heute Erkenntnisse ziehen kann.
Corona hat zudem gezeigt, dass eine komplexe Bedrohung eine ebenso komplexe, universelle Gegenstrategie erfordert. Wissenschafter der unterschiedlichsten Fachrichtungen haben im Kampf gegen Corona zusammengearbeitet, was fast an das klassische Ideal der „universitas“, der Gesamtheit der Wissenschaften, erinnert. Durch die fortschreitende Verschulung der Universitäten wird dieses gedankliche Überschreiten der immer enger gezogenen Fächergrenzen heute fast unmöglich gemacht. Vielleicht führen die Erfahrungen von Corona hier zu einem Umdenken. Und bei der Budgetierung der Universitäten auch.