Stress beeinflusst die Haarfarbe
Graue Haare müssen nicht für immer grau bleiben. Eine neue Studie belegt, dass es möglich ist, die ursprüngliche Haarfarbe zurückzuerlangen.
Werden die Haare erst einmal grau oder weiß, dann kommt die natürliche Haarfarbe nicht wieder zurück – das dachte man zumindest lange Zeit. Die neue Studie eines internationalen Wissenschafterteams an der Columbia-Universität in New York belegt das Gegenteil.
Graue Haare gibt es wissenschaftlich gesehen nicht. Fehlt das Farbpigment Melanin im Haar, das für die individuelle Haarfarbe verantwortlich ist, erscheint es farblos oder weiß. Im Miteinander von pigmentiertem und pigmentlosem Haar entsteht so der optische Eindruck des Farbtons Grau. Dieses Grau zeigt sich manchmal schon ab Ende zwanzig, meist aber erst ab Mitte dreißig oder später. Auch schädlicher Stress kann dazu führen, dass weniger oder gar keine Farbpigmente mehr in das Haar eingebaut werden.
Das Expertenteam um den Neurologen Martin Picard und die Neurowissenschafterin Ayelet M. Rosenberg von der Columbia-Universität machte sich nun auf die Suche nach Menschen, deren ursprüngliche Haarfarbe nach dem Ergrauen wieder zurückgekehrt war. Nach ganzen zweieinhalb Jahren fanden sich gerade einmal 14 Versuchsteilnehmer im Alter von neun bis 65 Jahren, die für die speziellen Untersuchungen geeignet waren. Das Besondere an diesen Probanden war, dass sie über mehrfarbige Haare verfügten, die Bereiche in der Ursprungshaarfarbe enthielten, aber im selben Haar auch pigmentlosere Teile aufwiesen.
Mithilfe hochauflösender Bilder konnten die Wissenschafter das Wachstum der einzelnen Haare genau analysieren und so die Repigmentierung detailliert nachweisen. Ähnlich wie bei einem Baum, dessen Wachstumsringe Informationen über den Wuchs des Baums enthalten, konnten auch an den einzelnen Haaren unterschiedliche Abschnitte des Wachstums festgestellt und analysiert werden. „Mit dem bloßen Auge betrachtet scheint es so, als habe das Haar überall die gleiche Farbe“, sagt Laborleiter Picard. „Unter einem hochauflösenden Scanner sieht man jedoch kleine subtile Variationen der Farbe, die wir vermessen konnten.“
Mehr noch: Da negativer Stress zum Ergrauen führen oder diesen Prozess beschleunigen kann, glichen die Forscher die so gewonnenen Daten bei einem Teil der Probanden mit einem Fragebogen ab, in dem die Versuchsteilnehmer angeben sollten, wann sie in der letzten Zeit besonders großem schädlichen Stress ausgesetzt waren. Dabei zeigte sich unter anderem bei einer 30-jährigen schwarzhaarigen Frau, dass diese genau in jenen zwei Monaten ergraut war, in denen sie sich von ihrem damaligen Lebensgefährten getrennt hatte und umgezogen war.
Ein 35-jähriger Mann mit kastanienbraunem Haar hatte seine ursprüngliche Haarfarbe wieder zurückerhalten, nachdem der Stressauslöser beseitigt werden konnte und er anschließend in den Urlaub gereist war. „Auf der Grundlage unserer mathematischen Modelle denken wir, das Haar muss erst eine bestimmte Schwelle erreichen, bevor es grau wird“, sagt Picard. „In mittlerem Alter, wenn das Haar dieser Schwelle aufgrund des biologischen Alters oder anderer Faktoren nahe ist, bringt Stress es über diese Schwelle hinaus und es beginnt grau zu werden.“
Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ist diese Studie freilich nicht repräsentativ. Dennoch lieferten die Daten dieser Erhebung, die im Fachmagazin „eLife“veröffentlicht wurde, weitere Belege dafür, meint Picard, dass das menschliche Altern kein linearer, festgelegter biologischer Prozess sei, sondern zumindest in Teilen aufgehalten oder wenigstens vorübergehend wieder rückgängig gemacht werden könne.