Vor dem Singen und Tanzen gab es Rassenlehre-Vorträge
Historikerin Katharina Scharf hat die Biografien von Salzburger Nazi-Täterinnen und -Mitläuferinnen aufgearbeitet. Ihre Geschichten sind facettenreich und können ab 14. Juli nachgelesen werden.
SALZBURG. Anders als noch bis in die 1970er- und 1980er-Jahre hinein gern behauptet wurde, haben „arische“Salzburgerinnen bei Weitem nicht nur für Soldaten genäht und gestickt. Ja – sie haben Kochkurse über „gesunde und sparsame Ernährung“oder die Vorzüge der damals wenig geschätzten Kartoffeln gehalten und Kriegspflichten wie die Versorgung von Soldaten erfüllt, aber das war nicht alles. Die Beteiligung bzw. Mittäterschaft von Salzburgerinnen an der Naziherrschaft ist vielschichtig – „es gibt nicht nur die ultimativ Bösen und die Opfer, das Ganze hat viele Facetten“, sagt Katharina Scharf.
Die 32-Jährige stammt aus Moosbach im Bezirk Braunau und wusste schon als Volksschülerin, dass sie einmal Geschichte studieren würde. Heute sind der Nationalsozialismus und Frauengeschichte ein Schwerpunkt der Germanistin und promovierten Historikerin. Für ihr Buch „Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg“hat sie die Biografien von neun Salzburgerinnen in Archiven nachrecherchiert und eine Reihe von Gesprächen mit Zeitzeuginnen, die die Zeit nach der großen Wirtschaftskrise noch miterlebt haben, geführt. Dabei habe sie auch altbekannte Sätze wie „Der Hitler hat sich um viel gekümmert“oder „Damals wurde noch nichts verschwendet“gehört. Viele hätten auch noch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der NS-Frauenschaft abgespeichert. „Es waren also positive Erinnerungen, auf die ich in persönlichen Gesprächen gestoßen bin. Das bezieht sich auch auf die Treffen der NS-Frauenschaft, wo man gemeinsam aus ,Mein Kampf‘ gelesen hat, sich Goebbels Reden im Radio angehört hat oder Vorträge über die Rassenlehre der Nationalsozialisten hörte. Diese Gemeinschaftsaktionen waren immer an Spaß gekoppelt, also an gemeinsames Singen und Tanzen, bei dem zum Teil auch die Kinder und Männer der Frauen dabei waren“, schildert Katharina Scharf und ergänzt: „Die beste Erziehung im Sinn des NS-Regimes war die, die man nicht bemerkt und die nicht vom hohen Podest, sondern in der Gruppe passiert.“
Während der Kriegsjahre fungierten die Vertreterinnen der NS-Frauenschaft als Kontrolleurinnen der Rassengesetze. „Sie überprüften, ob sich Bäuerinnen mit Zwangsarbeitern einließen oder aus ,falschem Mitgefühl‘ Kinder von Zwangsarbeitern bzw. ,fremdvölkischen Arbeitern‘ bei sich aufnahmen.“
Salzburgerinnen waren bereits lang vor 1938 für die NSDAP aktiv. So wie die gebürtige Tirolerin Hanna Sophie Riedl, die nach Salzburg geheiratet hatte und bereits 1932 die erste Gaufrauenschaftsleiterin Salzburgs war. „Sie war schon damals Mitglied der NSDAP und hat Frauen rekrutiert. Sie war einerseits evangelisch, andererseits hat sie sich für die Sache der Nationalsozialisten eingesetzt und das sogar mit Bibelstunden verbunden.“Nach dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 arbeiteten die Frauen illegal weiter – sie waren bei Bölleranschlägen dabei, beschmierten Gebäude mit NS-Symbolen, betrieben antisemitische Hetze und verteilten Nazi-Propagandamaterial. Von den Männern wurden die Aktivitäten der NS-Frauenschaft eher beliebäugelt – so lang sich die Frauen unterwürfig und still hielten. Hanna Riedl, die sich vor allem für ihre eigene Karriere einsetzte, eckte aber bei männlichen Vorgesetzten schnell an und wurde 1936 als Gaufrauenleiterin abgesetzt. Dagegen hat sie jahrelang prozessiert – erfolglos.
Es gab auch immer wieder Frauen, die aus dem deutschen Frauenwerk ausgeschlossen wurden – weil sie Dienste wie das Nähen und Sticken für Soldaten neben der Betreuung ihrer Kinder und einer Erwerbsarbeit nicht schafften. Für diese Frauen bedeutete das im Umkehrschluss, dass auch sie keine soziale Unterstützung mehr bekamen.
SN-Info
„Es gab mehr Facetten der Beteiligung als das Nähen.“