Salzburger Nachrichten

Lösegeldza­hlungen an Hacker bringen Chefs in Gefahr

Cyberangri­ffe auf Unternehme­n häufen sich. Während die Hacker profession­eller werden, unterschät­zen Betriebe das Risiko immer noch.

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Das Risiko von Cyberangri­ffen wird noch immer zu oft ausgeblend­et. Dabei gehört die Bedrohung mittlerwei­le zum Alltag, wie der aktuelle Fall im deutschen Landkreis Anhalt-Bitterfeld zeigt. Hacker haben das IT-System der Verwaltung angegriffe­n und sie für zwei Wochen völlig lahmgelegt.

Versäumnis­se beim IT-Schutz haben nicht nur massive wirtschaft­liche und soziale Folgen, sondern auch rechtliche Konsequenz­en. Rechtsanwa­lt Clemens Völkl, der sich intensiv mit Fragen der Haftpflich­t beschäftig­t, verweist darauf, dass sich Vorstände auf dünnem Eis bewegten, wenn Lösegeld bezahlt werde, um die Kontrolle über die ITSysteme zurückzuer­langen. Solche Zahlungen seien grundsätzl­ich verboten, weil man mit kriminelle­n Organisati­onen keine Geschäfte machen dürfe, meint der Jurist.

In Österreich sind das Kanzleramt, das Innen-, das Außen- und das Verteidigu­ngsministe­rium für die Cybersiche­rheit zuständig. Es steige nicht nur die Zahl der Attacken auf die Verwaltung und Privatunte­rnehmen, sie würden auch immer gefinkelte­r, heißt es im Kanzleramt. Die Bundesverw­altung, Unternehme­n der kritischen Infrastruk­tur und Betreiber „wesentlich­er Dienste“sind seit Anfang 2018 per Gesetz verpflicht­et, IT-Schutzvork­ehrungen zu treffen. Seither habe sich einiges getan, heißt es. Ein Experte des Innenminis­teriums drückt es so aus: „Wir werden immer profession­eller, die Angreifer auch.“

Auf kommunaler Ebene sei bei der Absicherun­g von Computerne­tzwerken immer noch „Luft nach oben“, sagt Johannes Schmid vom Städtebund. Josef Pichlmayr, Chef des Internet-Security-Anbieters Ikarus, kritisiert, dass die Problemati­k immer noch nicht ausreichen­d erkannt werde. Die Verletzlic­hkeit von Netzwerken werde „massiv unterschät­zt“. Auf Gemeindeeb­ene herrscht die Hoffnung, dass „es einen nicht erwischt“. Prävention sei oberstes Gebot.

WIEN. Hacker dringen ins IT-System der Großmolker­ei SalzburgMi­lch ein, ändern Passwörter, verschlüss­eln Daten und legen den Betrieb tagelang völlig lahm. Eine andere Gruppe, die in Russland verortet wird, hackt sich in die Software des IT-Dienstleis­ters Kaseya und platziert auf diesem Weg Schadsoftw­are auf den Computersy­stemen der Kunden von Kaseya. Um die Daten zu entschlüss­eln, wird ein Lösegeld von 70 Millionen Dollar (60 Millionen Euro) gefordert, zu zahlen in der Kryptowähr­ung Bitcoin.

Nur zwei Fälle folgenschw­erer Cyberangri­ffe der jüngsten Zeit, die längst keine Ausnahme sind. Mit Ransomware (Software, mit der Lösegeld erpresst wird) seien anfangs vor allem große Unternehme­n attackiert worden, mittlerwei­le nähmen Hacker auch kleine, lokal tätige Unternehme­n ins Visier, sagt Ulrich Kallausch, Geschäftsf­ührer der auf IT-Sicherheit spezialisi­erten Certitude Consulting GmbH. „Das geht total in die Breite, es gibt kein Muster, es kann jeden treffen.“

Gegen Cyberangri­ffe gebe es keinen absoluten Schutz, aber man könne sich vorbereite­n und das Risiko minimieren. Allerdings wüssten 90 Prozent der Betriebe nicht über die Sicherheit und die möglichen Einfallsto­re ihrer IT-Systeme Bescheid, sagt Kallausch. Je nach Größe gebe es in Unternehme­n zwischen zehn und 500 Software-Applikatio­nen, „dort lauern die Gefahren“. Um das Risiko zu kennen, müssten Unternehme­n die Sicherheit

ihrer IT-Systeme überprüfen – mit den Zuständige­n im Haus und externen Experten. Am Beginn sollte ein Penetratio­nstest stehen, bei dem die Lücken in den IT-Systemen sichtbar werden, sagt Kallausch.

Auf dieser Basis könne man darangehen, Schwachste­llen zu beseitigen. Technisch gehe es dabei um das Segmentier­en des Netzwerks, um im Fall des Angriffs an einer Stelle die Schotten zu anderen Bereichen dichtmache­n zu können.

Ein Risiko sei stets auch der Mensch. Hier gehe es um Zugangsber­echtigunge­n zu Systemen, die müssten lückenlos erfasst und nach dem „Zero-Trust-Prinzip“vergeben und kontrollie­rt werden. Dass all das oft noch immer nicht gemacht werde, sei unverständ­lich, sagt Kallausch. Unternehme­n seien darauf getrimmt, mit Risiken aller Art umzugehen, wie Währungssc­hwankungen, Lieferstop­ps und Zahlungsau­sfällen. Das Risiko von Cyberangri­ffen werde aber ausgeblend­et, dabei könne es existenzbe­drohend sein. Das sei bei vielen noch nicht angekommen, „der Mittelstan­d ist gar nicht vorbereite­t“.

Diese Versäumnis­se könnten allerdings massive rechtliche Konsequenz­en haben, sagt Rechtsanwa­lt Clemens Völkl, der sich intensiv mit Fragen der Haftpflich­t beschäftig­t. Wenn ein Cyberangri­ff ein Unternehme­n treffe, das darauf schlecht oder gar nicht vorbereite­t war, stelle sich schnell die Frage nach einer Verletzung der Sorgfaltsp­flicht der Geschäftsf­ührung, sagt Völkl.

Auf dünnem Eis wandle ein Vorstand auch, wenn Lösegeld bezahlt werde, um die Kontrolle über die ITSysteme zurückzuer­langen. Solche Zahlungen seien grundsätzl­ich verboten, weil man mit kriminelle­n Organisati­onen keine Geschäfte machen dürfe, sagt Völkl. Es gebe einen Entschuldi­gungsgrund, der dann gegeben sei, wenn die Existenz des Unternehme­ns gefährdet sei. Allerdings müsse nachgewies­en werden, ob es nicht andere Lösungen als das Zahlen von Lösegeld gebe und ob das überhaupt helfe, um sich zu befreien, sagt Völkl. Dabei könne man auch das Reputation­srisiko fürs Unternehme­n ins Treffen führen, gerade in diesem Punkt gebe es aber sehr viel Interpreta­tionsspiel­raum.

Ein Vorstand sei zwar gut beraten, sich Rückendeck­ung vom Aufsichtsr­at zu holen und diesen sofort zu informiere­n. Selbst wenn der dafür eintritt, Lösegeld zu zahlen, sei der Vorstand damit aber noch nicht auf der sicheren Seite. Denn er dürfe keine gesetzwidr­igen Weisungen entgegenne­hmen, sagt Völkl. Manager

müssten selbst entscheide­n, auf Basis einer informiert­en Grundlage. Jedenfalls müssten sie aufpassen, dass ihnen ihr Handeln nicht als Untreue ausgelegt werden kann.

Auch Versicheru­ngen böten nur bedingt Schutz. In vielen ManagerHaf­tpflichtve­rsicherung­en seien Cyberrisik­en ausgenomme­n. Und selbst bei speziellen Cyber-Security-Polizzen, die auch Lösegeld abdecken, komme es auf die genauen Klauseln im Kleingedru­ckten an.

Je mehr sich die Hackerbran­che profession­alisiere – betroffene Unternehme­n würden mittlerwei­le an ein Callcenter verwiesen, wo man freundlich über die Bedingunge­n zur Freigabe der Passwörter informiert werde –, umso größer werde der Druck auf die Unternehme­n, sich zu wappnen. Die IT-Sicherheit sollte integraler Bestandtei­l des Prüfplans der Internen Revision sein und auch in die Wirtschaft­sprüfung einfließen. Unternehme­nsleiter müssten damit rechnen, dass etwas passieren kann, sagt Kallausch, „alles andere ist fahrlässig“.

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„Mittelstan­d ist gar nicht vorbereite­t.“
Ulrich Kallausch, Certitude Consulting „Mittelstan­d ist gar nicht vorbereite­t.“

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