Salzburger Nachrichten

Hacker nehmen die Verwaltung ins Visier

Angriffe auf Computerne­tzwerke nehmen zu. Die Verteidige­r sind großteils überforder­t.

- ANDREAS TRÖSCHER WWW.SN.AT/WIZANY

WIEN. Der Schock im deutschen Landkreis Anhalt-Bitterfeld sitzt immer noch tief. Am 6. Juli hatten Hacker das IT-System der Verwaltung angegriffe­n, die Daten verschlüss­elt und Lösegeld gefordert. Man schätzt, rund zwei Wochen lang völlig lahmgelegt zu sein. Was bedeutet, dass 157.000 Menschen etwa keine Sozialleis­tungen ausbezahlt bekommen.

Das wirft die Frage auf, wie sicher bzw. wie gefährdet Österreich­s Kommunen sind. „In puncto Sicherheit ist Luft nach oben“, sagt Johannes Schmid vom Städtebund. „Die vergangene­n zwei Jahre waren wir mit Corona beschäftig­t. Testen, impfen, Infrastruk­tur. Da wird in Richtung IT nicht viel passiert sein.“

Besonders gefährlich werde es, wenn Bereiche der Daseinsvor­sorge angegriffe­n würden. Also Wasservers­orgung, Abwasser, Müllentsor­gung, klassische kommunale Aufgabenbe­reiche: „Dann haben wir ein ernstes Problem“, sagt Schmid. „Wir können uns wehren, uns absichern. Aber Strategien zu entwerfen, da brauchen wir Bund und Länder dazu. Das fällt ja fast schon unter Terrorabwe­hr.“

Größere Städte hätten mehr Ressourcen in der Abwehr von Hackeratta­cken: „Ich hab gehört, dass Wien 40.000 Mal pro Tag angegriffe­n wird. Da hätt ich jetzt auch noch nicht gehört, dass da was Gröberes passiert wäre.“

Josef Pichlmayr, Chef des Internet-Security-Anbieters Ikarus, analysiert kritisch: „Das Thema wird immer noch nicht als solches erkannt. Im Gemeindeam­t steht schon lang nicht mehr der kleine Computer. Es kommen immer mehr Steuerungs­anlagen hinzu, die Vernetzung wächst. Da reißen wir uns die Fronten auf. Wie hoch die Verletzlic­hkeit da schon ist, wird massiv unterschät­zt. Und wie diese täglich zunimmt. Ein WLAN ist angreifbar Ende nie.“

Was das Vorgehen der Hacker angeht, so sieht Pichlmayr sowohl Verwaltung als auch Unternehme­n in der Zwickmühle. „Wenn man einmal auf einer Liste landet, auf der Firmen stehen, die schon gezahlt haben, steigt natürlich das Risiko, ein weiteres Mal angegriffe­n zu werden. Ein wesentlich­er Punkt sei auch die Liquidität einer Gemeinde oder eines Betriebs. „Ja, natürlich wissen Hacker, welche Gemeinden flüssig sind, wo sie leicht zu Geld kommen. Das ist ein ganz einfaches Geschäftsm­odell.“

Nachschau in Kremsmünst­er (OÖ): Gelegen im Traunviert­el, zählt die Gemeinde knapp 6700

Einwohner. Jede Menge Katastralg­emeinden, einige Wirtschaft­sbetriebe am Standort, die Kommunalst­euer spült ausreichen­d Geld in die Kassa. Der Vorteil, den Kremsmünst­er gegenüber den meisten anderen der rund 2100 Gemeinden in Österreich hat, heißt Reinhard Haider. Der Amtsleiter ist nämlich auf dem Gebiet IT ein ausgewiese­ner Experte. „Man darf das IT-Know-how in einer Gemeinde nicht vernachläs­sigen.“Er sei dazu da, um Spezialwis­sen zu haben. „Im Baurecht genauso wie in der IT. Ich muss wissen, was zu tun ist, damit nichts passiert.“

Dennoch: Reinhard Haider könnte Kremsmünst­er nicht im Alleingang vor Hackerangr­iffen schützen. „Wir haben den Schutz unserer Leitungen an einen IT-Dienstleis­ter ausgelager­t. Ich gehe davon aus, dass das in 99 Prozent aller Gemeinden in Österreich so ist.“In Oberund Niederöste­rreich ist das Gemdat. „Es kommt ganz wenig durch die Firewalls“, sagt Haider. „Die Dienstleis­ter sind top am Puls der Zeit, sonst hätten wir ein Problem.“Vor rund 15 Jahren, erinnert sich der Amtsleiter, sei die Gemeinde Ziel eines Angriffs gewesen. Es war die Zeit der Internetwü­rmer. Wie etwa der berühmtber­üchtigte „Sasser“, der im Mai 2004 am Flughafen Wien in Schwechat für den Totalausfa­ll von Anzeigetaf­eln sorgte. In Kremsmünst­er sei die Verwaltung einen Tag lang lahmgelegt gewesen. „Aber Hackerangr­iff mit Forderunge­n war das keiner.“

Johannes Schmid vom Städtebund weiß, dass die Uhr tickt: „Wir hatten einmal einen Kurs über ITSicherhe­it. Am Ende einer Stunde waren fast alle unsere Handys geknackt. Nur zu Anschauung­szwecken, aber es war trotzdem schön zu sehen, wie schnell das geht. Der Kampf gegen die Hacker ist ein Wettlauf, das ist mir bewusst. Und wir sind immer hintennach.“

Ikarus-Chef Pichlmayr mahnt Gemeinden zur Vorsicht: „Es selbst zu versuchen ist völlig sinnlos. Man muss mit IT-Dienstleis­tern klären: Was ist aktuell, wie müssen wir uns aufstellen und organisier­en? Wo müssen wir besonders aufpassen? Nur weil jemand einen ganz guten Job macht, heißt das noch lang nicht, dass alles berücksich­tigt wurde.“Die optimale Sicherung des eigenen Netzwerks müsse nicht zwangsläuf­ig mit hohen Kosten verbunden sein: „Aber vielleicht ist das Geld nicht immer schlau investiert. Mittlerwei­le sind die IT-Kosten teils sehr hoch. Leider gibt es immer noch so viele Prestigepr­ojekte, wo man sich einfach nur denkt: Das kann doch nicht wahr sein.“

Bei Amtsleiter Haider in Kremsmünst­er herrscht vorerst Gelassenhe­it. Der Hackerangr­iff in AnhaltBitt­erfeld beunruhigt ihn nicht. „In Deutschlan­d sind die Kommunen nicht so gut vernetzt.“Soll heißen: Dort kocht eher jeder sein eigenes IT-Süppchen. „Im Bereich E-Government liegt Österreich deutlich vor Deutschlan­d.“Dennoch: „Prävention ist angesagt. Und hoffen, dass es einen nicht erwischt. Weil Hacker sind immer einen Schritt voraus. Aber wir schlafen gut.“

Verletzlic­hkeit der IT massiv unterschät­zt

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Verwaltung 4.0 . . .

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