Salzburger Nachrichten

Sie sollen die Wirtschaft retten

Spaniens neues Kabinett hat eine Frauenquot­e von 60 Prozent. Fast alle Schlüsselr­essorts sind in weiblicher Hand.

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„Ich bin ein feministis­cher Politiker.“

Pedro Sánchez, Spaniens Premier

MADRID. Spaniens sozialisti­scher Premier Pedro Sánchez hat die größte Regierungs­umbildung seit seinem Amtsantrit­t im Jänner 2020 vorgenomme­n – und setzt dabei vor allem auf Frauen. Die neue Führungsri­ege wurde am Montag vereidigt. Sie besteht aus 14 Ministerin­nen, acht Ministern und Sánchez. Das entspricht einer Frauenquot­e von mehr als 60 Prozent – und macht die Regierung in Madrid zur weiblichst­en in ganz Europa.

„Wir leben in der Zeit der Frauen“, lautet einer jener Sätze, mit denen Spaniens Premier gern betont, dass er das südeuropäi­sche Land auf dem Weg der Gleichbere­chtigung weiterbrin­gen wolle. Das Königreich galt lange Zeit als MachoLand. Die Dinge haben sich jedoch geändert. Das beweist auch der 49jährige Sánchez, wenn er sagt: „Ich bin ein feministis­cher Politiker.“

Nun sind fast alle wichtigen Ressorts mit Frauen besetzt: Wirtschaft, Arbeit, Finanzen, Verteidigu­ng, Justiz. Von den Schlüsselr­essorts werden nur noch das Innenund das Außenresso­rt von Männern geführt. Auch aus dem Sprecheram­t der Regierung tönt eine Frauenstim­me, die der 40 Jahre alten Isabel Rodríguez gehört. Sie hat Ministerra­ng, ist zuständig, die Beschlüsse des Kabinetts zu verkünden, und wird das Gesicht der Koalitions­regierung sein. Partner von Sánchez’ PSOE ist die Linksparte­i Podemos.

Spaniens Premier, der wegen seines guten Aussehens von den Medien den Beinamen „Pedro der Hübsche“verpasst bekam, stehen nun drei Stellvertr­eterinnen zur Seite: darunter die angesehene und parteiunab­hängige Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calviño (52), die als künftige Nummer zwei zu Spaniens mächtigste­r Frau aufrückt. Die frühere Generaldir­ektorin der EUBudgetab­teilung in Brüssel ist das populärste Regierungs­mitglied.

Am Montag legten die zwölf neuen oder in andere Ressorts gewechselt­en Ministerin­nen und Minister vor König Felipe ihren Amtseid als Kabinettsm­itglieder ab. Dabei erregte Arbeitsmin­isterin Yolanda

Díaz Aufsehen, weil sie selbstbewu­sst den offizielle­n Amtseid gegenüber dem „Minister- und Ministerin­nenrat“änderte und nur dem „Ministerin­nenrat“Loyalität versprach. Die 50-jährige Arbeitsrec­htlerin von der Linksparte­i Podemos hat sich bei Gewerkscha­ften wie Arbeitgebe­rn

einen exzellente­n Ruf erarbeitet. Sie stieg als weitere Sánchez-Stellvertr­eterin zur Nummer drei in der Regierung auf.

Eine andere wichtige Neubesetzu­ng betrifft das Außenminis­terium. Die bisherige Amtsinhabe­rin Arancha González Laya scheidet aus dem Kabinett aus. Sie war in Kritik geraten, nachdem Mitte Mai Tausende Flüchtling­e aus Marokko die spanische Exklave Ceuta gestürmt hatten. Ihren Posten übernimmt der bisherige Botschafte­r Spaniens in Paris, José Manuel Albares. Das Justizmini­sterium übernimmt die ehemalige Senatspräs­identin Pilar Llop von Juan Carlos Campo.

„Heute beginnen wir eine neue Etappe“, verkündete Sánchez am Montag. Das hat er auch nötig. Sánchez’ Popularitä­t ist im Keller. Umfragen zufolge würde der Sozialist heute nicht mehr die Wahl gewinnen. Die große und weiblich geprägte Kabinettsu­mbildung soll der Regierung neuen Schwung verleihen. Vor allem die Folgen der Pandemie haben Sánchez’ Rückhalt geschwächt.

Die Coronakris­e belastete das vom Tourismus abhängige Land stark. Das Bruttoinla­ndsprodukt brach um elf Prozent ein. Nun sollen drei Frauen Spaniens Wirtschaft wieder ankurbeln: Wirtschaft­sministeri­n Calviño, Arbeitsmin­isterin Díaz und Finanzmini­sterin María Jesús Montero, die bereits seit eineinhalb Jahren das Ministeriu­m leitet.

Dabei soll der Geldregen aus Brüssel helfen: 140 Milliarden Euro an Direkthilf­en und Krediten wurden Spanien aus dem Wiederaufb­aufonds zugesagt. Es gehe darum, die „große Chance“effektiv zu nutzen, die sich aus den EU-Hilfsmilli­arden ergebe, sagte Sánchez. Damit will der Premier wie von der Europäisch­en Union vorgesehen den „sozialen, digitalen und grünen“Wandel beschleuni­gen. Und auch den feministis­chen, „denn nur mit der vollständi­gen Gleichstel­lung der Frauen können wir ein besseres Spanien konstruier­en“.

Zu den geplanten frauenpoli­tischen Reformen gehören unter anderem eine weitere Lockerung des Abtreibung­srechts und der Kampf gegen die Männergewa­lt gegenüber Frauen. Hier gilt Spaniens Engagement als europäisch­es Vorbild. Sánchez: „Niemand darf bei solchen Verbrechen wegschauen.“

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Sorgte beim Amtseid für Aufsehen: Arbeitsmin­isterin Yolanda Díaz.
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Wechselt ins Wirtschaft­sministeri­um: Nadia Calviño.
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Ist bereits seit Jänner 2020 Finanzmini­sterin: María Jesús Montero.
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