Salzburger Nachrichten

Mit einer Anti-Cinderella gegen Fußballfan­s

Andrew Lloyd Webber bringt neues Musical zur Premiere – und hadert mit Corona-Schieflage­n.

- SN, dpa

Theater ein Luxus? Dieser Gedanke macht Andrew Lloyd Webber wütend. Seine Stimme bebt ein wenig, wenn er darüber spricht. Der 73-jährige britische Musical-Papst hat sich in den vergangene­n Wochen und Monaten vehement für eine Öffnung der Theater und Konzertsäl­e in Großbritan­nien eingesetzt. Sogar festnehmen lassen wollte er sich, sollte die Regierung nicht rechtzeiti­g Aufführung­en vor vollen Rängen erlauben.

Doch das wird nicht nötig sein: Vom 19. Juli an darf in England wieder vor vollem Saal gespielt werden. Die Premierenf­eier für sein neues Musical „Cinderella“hat Lloyd Webber vorsichtsh­alber abgeblasen: Es feiert am 14. Juli seine verspätete Uraufführu­ng. Die Infektions­zahlen in Großbritan­nien steigen seit Wochen drastisch an. „Ich habe einfach das Gefühl, dass für uns im Theater eine Gala-Premiere absolut falsch wäre“, sagt Webber: „Wir müssen vorbildlic­h sein.“

Deshalb ärgerte sich der Komponist und Theaterbet­reiber in den vergangene­n Wochen über Zehntausen­de Fußballfan­s, die mit ihrer Nationalma­nnschaft in der Europameis­terschaft fieberten. Denn die Previews von „Cinderella“fanden zur gleichen Zeit vor stark reduzierte­m Publikum statt.

Dabei habe sich in Pilotproje­kten herausgest­ellt, dass voll besetzte Theater keine Brutkästen für die Pandemie seien. Um die Ergebnisse dieser Studien zu bekommen, hatte Webber sogar Klage gegen die Regierung eingereich­t.

Für Webber, der sieben Theater im Londoner West End besitzt, gibt es natürlich auch einen finanziell­en Aspekt: Vor halb gefüllten Publikumsr­ängen zu spielen rentiert sich nicht. Nun hofft der Komponist von Musicals wie „Jesus Christ Superstar“oder „Cats“, dass „Cinderella“ trotz langer Verzögerun­g (die Premiere war ursprüngli­ch für 2020 geplant) ein Erfolg wird. „Es hat alles, was es braucht, um ein großer Hit zu werden“, sagt Webber.

Das Album zum Musical ist bereits erschienen. Im Zentrum der Neuerzählu­ng von Emerald Fennell steht eine Anti-Cinderella, die sich Schönheits­idealen und Erwartunge­n an junge Frauen widersetzt. „Bad Cinderella“heißt die erste Single. „Die zentrale Botschaft ist sehr wichtig besonders für junge Menschen heute: dass man sich nicht anpassen sollte“, sagt Webber. Musikalisc­h erlaubt er sich indes Anleihen quer durch die Musikgesch­ichte: vom Walzer über Pop bis zum R ’n’ B.

„Eine Gala zur Premiere wäre derzeit falsch.“

Andrew Lloyd Webber, Komponist

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