Salzburger Nachrichten

„Es wird immer verrückter“

Radprofi Patrick Konrad spricht über die vielen Stürze in den ersten zwei Tourwochen, ob Favorit Tadej Pogačar noch gestoppt werden kann und den Wert des nahenden Olympiaren­nens.

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Die ersten zwei Wochen bei der Tour de France sind vorbei: Sie standen auch heuer im Zeichen des Slowenen Tadej Pogačar, der nur auf dem Mont Ventoux kurz Schwächen gezeigt hat, bei der Königsetap­pe am Sonntag aber schon wieder unantastba­r war. Der Österreich­er Patrick Konrad, Samstag in den Pyrenäen Etappen-Zweiter, fährt ein überaus aktives Rennen und analysiert im SN-Interview die laufende Tour und die am heutigen Dienstag beginnende Finalwoche.

SN: Zwei Dinge sind bisher augenschei­nlich: die vielen Stürze und das Solo von Pogačar. Beginnen wir mit den Stürzen: Warum gibt es so viele?

Konrad: Das ist auch für mich schwierig zu beurteilen. Vielleicht war einfach ein bisschen Pech dabei. Wir waren in der ersten Woche in der Bretagne, da gibt es viele enge Straßen und es war noch dazu meistens nass. Aber grundsätzl­ich ist klar: Es wird immer verrückter, die Jagd nach einem Etappensie­g bei der Tour wird immer härter, dafür geben viele Fahrer einfach alles.

SN: Der Tourdirekt­or hat zuvor sinngemäß gemeint: Bald finden wir wegen der Verkehrsbe­ruhigungen keinen Etappenort mehr. Spielt das auch eine Rolle?

Ja, mit Sicherheit. Jede Innenstadt hat heute Verkehrsbe­ruhigungen wie Verkehrsin­seln. Aber für uns sind das vor der Ziellinie einfach nur gefährlich­e Hinderniss­e. Anderersei­ts will keiner, dass eine Touretappe irgendwo auf einer Hauptstraß­e fernab von Zuschauern endet. Der Spagat dazwischen wird immer schwierige­r.

SN: Tadej Pogačar geht mit über fünf Minuten Vorsprung in die Schlusswoc­he. Ist die Tour schon gelaufen?

Fünf Minuten sind schon ein beachtlich­er Vorsprung, aber es ist noch nicht der Toursieg. Im Grunde liegt es jetzt an ihm: Er darf keinen schlechten Tag haben, er darf in den Bergen keinen Einbruch haben, denn da können gleich einmal auch 15 Minuten weg sein, wie man gesehen hat. Dazu darf er auch nicht stürzen, aber das wünscht ihm keiner.

SN: Sein Team UAE (United Arab Emirates) ist als eines von nur noch sieben Teams im Feld vollzählig, andere Mannschaft­en sind schon auf drei Fahrer reduziert. Ist das ein weiterer Vorteil?

Nein, das glaube ich nicht. Man darf nicht vergessen, was das Team rund um einen Tourfavori­ten leisten muss. Die UAE-Mannschaft ist seit Kilometer null draußen im Wind, das kostet viel Kraft, das darf man nicht übersehen. Aber wie gesagt: Wenn er nicht zu Sturz kommt, wird es schwer, ihn zu schlagen.

SN: Sie selbst standen Samstag knapp vor Ihrem ersten Etappensie­g – überwiegt der Stolz auf die Leistung oder der Frust, dass es nicht geklappt hat?

Ganz sicher die Freude. Ich sehe es nicht so, dass immer nur ein Etappensie­g zählt, es zählt auch die Leistung bis dahin. Für den Sieg gehört auch immer ein bisschen Glück dazu, so komisch sich das anhört. Denn man kann sich eine perfekte Taktik überlegen, aber die muss in der jeweiligen Situation aufgehen und umsetzbar sein. Aber ich bin mit meiner Leistung bis jetzt sehr zufrieden.

SN: Sie haben danach gesagt, sie hätten ja noch ein paar Chancen. Wo denn?

Sicherlich auf der Etappe an diesem Dienstag, da bietet sich eine Gruppe, die geht, ja regelrecht an. Dann werde ich auch noch auf den zwei harten Bergetappe­n Mittwoch und Donnerstag etwas probieren.

SN: Sie sind in den Bergen eigentlich komplett auf sich allein gestellt. Wie gut ist denn da die Form noch?

Na ja, ich bin bis jetzt ein sehr aktives Rennen gefahren, habe vieles versucht, war oft draußen.

Das kostet alles Körner, die einem dann irgendwann fehlen. Aber das ist bei den anderen wohl auch so.

SN: Ihr Teamchef Ralph Denk hat mit der Aussage aufhorchen lassen: Wenn ich Radprofi wäre, würde ich lieber Paris–Roubaix als Olympia gewinnen. Warum fahren

Sie trotzdem zu Olympia?

Das ist eine Frage der Sichtweise. Wenn ich es aus der Sichtweise des Radsports betrachte, dann hat Paris–Roubaix als Monument des Radsportle­rs einen deutlich höheren Stellenwer­t. Aber wenn ich es aus der Gesamtsich­t betrachte, dann hat eine Olympiamed­aille einen ganz anderen Stellenwer­t. Einen Olympiasie­ger kennt man, egal aus welcher Sportart.

SN: Wann geht es für Sie ab nach Tokio?

Am kommenden Montag, direkt nach dem Ende der Tour. Ich fliege wie 80 Prozent des Tourfelds direkt von Paris nach Tokio.

 ?? BILD: SN/BORA/BETTINI ?? Im rot-weißroten Staatsmeis­tertrikot durch Frankreich: Patrick Konrad.
BILD: SN/BORA/BETTINI Im rot-weißroten Staatsmeis­tertrikot durch Frankreich: Patrick Konrad.

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