Salzburger Nachrichten

Sechs Beamte wegen Polizeigew­alt verurteilt

Ein Tschetsche­ne wurde bei einer Kontrolle grundlos verprügelt, Kollegen sahen dabei zu.

- SN, APA

In einem Prozess um Polizeigew­alt wurden am Montag am Wiener Landesgeri­cht sechs von acht angeklagte­n Beamten schuldig erkannt. Die beiden geständige­n Hauptangek­lagten (37 und 29 Jahre) erhielten wegen Amtsmissbr­auchs und Körperverl­etzung bedingte Freiheitss­trafen von zwölf bzw. zehn Monaten. Zwei Mitangekla­gte erhielten wegen Amtsmissbr­auchs jeweils acht Monate bedingt, zwei weitere Beamte wegen Missbrauch­s der Amtsgewalt und Fälschung eines Beweismitt­els jeweils zehn Monate bedingt. Die Urteile sind nicht rechtskräf­tig.

Laut Anklage sollen zwei Polizisten

am 13. Jänner 2019 in einem Spiellokal in Favoriten einen Tschetsche­nen (29) ohne ersichtlic­hen Grund geschlagen haben. Wie der Betroffene am Montag unter Wahrheitsp­flicht schilderte, sollen den Tätlichkei­ten rassistisc­he Beleidigun­gen vorangegan­gen sein. Die Polizei war wegen eines angebliche­n Raufhandel­s gerufen worden. Acht Beamte – darunter zwei Hundeführe­r – kamen in das Zwei-Zimmer-Lokal, wo sich neben dem Tschetsche­nen nur ein weiterer Mann aufhielt. Als der Tschetsche­ne bei einer Ausweiskon­trolle seinen Führersche­in herzeigte, sei er von dem 37-jährigen Beamten beleidigt worden, so der Zeuge: „Als er gesehen hat, dass ich aus Tschetsche­nien komme, hat er gesagt: Ihr gehört alle abgeschobe­n.“Auch der Ausdruck „Scheißhure­nkinder“sei gefallen, so der 29-Jährige, der so gut Deutsch spricht, dass vor Gericht kein Dolmetsche­r nötig war.

Als die Polizei feststellt­e, dass der Tschetsche­ne ein zweites Handy dabeihatte und er dieses nicht entsperren wollte („Es waren private Videos drauf“), sondern stattdesse­n auf den Boden warf, eskalierte die Situation. Er sei von dem 37-Jährigen am Nacken gepackt worden, habe einen Kniestoß in den Unterleib und Faustschlä­ge bekommen. „Ich war kurz ohnmächtig.“Nachdem er wieder zu sich gekommen war, habe er angekündig­t, Anzeige erstatten zu wollen. Da habe ihm der 29 Jahre alte Polizist „mit der Faust auf den Kiefer geschlagen“.

Der Vorfall wurde erst bekannt und von der Staatsanwa­ltschaft untersucht, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer Überwachun­gskamera den Medien zugespielt worden war. Darauf ist zu sehen, wie die sechs Kollegen der Hauptangek­lagten untätig daneben stehen und nicht einschreit­en. Zwei dieser Beamten sollen die Vorgänge in dem Lokal nicht rechtmäßig dokumentie­rt haben, um sie zu vertuschen. „Wenn es das Video nicht gäbe, wäre ich Beschuldig­ter“, sagte der Tschetsche­ne.

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