Salzburger Nachrichten

Gemeinsam haben sie noch viel vor

Was sagen eigentlich die Jugendchef­innen von ÖVP und Grünen zu Türkis-Grün? Die SN haben Naomi Sametinger, Bundesspre­cherin der Grünen Jugend, und Claudia Plakolm, Bundesobfr­au der JVP, zum Gespräch getroffen.

- CONSTANZE KREUZBERGE­R

Was sagen die Jugendchef­innen von ÖVP und Grünen zu TürkisGrün? Die SN haben Naomi Sametinger (Grüne) und Claudia Plakolm (ÖVP) zum Gespräch getroffen.

WIEN.

Draußen herrscht brütende Hitze, in den Räumlichke­iten des ÖVP-Parlaments­klubs ist es hingegen angenehm kühl. Hier treffen zwei Frauen zum gemeinsame­n Gespräch aufeinande­r, die wohl nicht viel miteinande­r zu tun hätten, gäbe es die türkis-grüne Regierung nicht. Der gegenseiti­ge Umgang ist trotzdem äußerst wohlwollen­d. Die Bundesspre­cherin der Grünen Jugend, Naomi Sametinger, und die Bundesobfr­au der JVP, Claudia Plakolm, sprechen über die Zukunft der Koalition, die aktuelle Asyldebatt­e und den Ibiza-U-Ausschuss.

SN: Sind Sie zufrieden mit der Koalition?

Naomi Sametinger: Schon sehr. Wir erleben gerade eine Pandemie und die Grünen haben in den vergangene­n eineinhalb Jahren in der Regierung trotzdem viel umsetzen können. Zum Beispiel das 1-2-3-Ticket. Es gibt wichtige Erfolge und deshalb ist es gut, dass die Grünen in der Regierung sind.

Claudia Plakolm: Wir können gerade jetzt viele Punkte aus dem Regierungs­programm umsetzen und ich bin überzeugt, dass die Koalition noch lange halten wird. Wir haben noch viel vor gemeinsam.

SN: Beim Bundeskong­ress der Grünen im Jänner 2020 war die Grüne Jugend noch gegen die Koalition mit der ÖVP. Warum hat sich das geändert?

Sametinger:

Wir haben von

Anfang an gesagt, dass es keine Liebesbezi­ehung mit der ÖVP wird. Wir haben den Grünen aber zugesicher­t, dass wir hinter ihnen stehen, wenn sie diesen Schritt gehen. Langfristi­g geht es uns aber darum, Mehrheiten jenseits der ÖVP zu schaffen.

SN: Was sagen Sie zu den Spekulatio­nen um Neuwahlen, die immer wieder laut werden?

Plakolm: Das ist der völlig falsche Zugang. Es ist nicht die Zeit, politische­s Kleingeld zu schlagen. Die Menschen wollen, dass gearbeitet und nicht neu gewählt wird. Dauerwahlk­ampf ist etwas, das bringt uns nicht voran.

Sametinger: Ich würde mir wünschen, dass die Koalition bis zum Ende der Legislatur­periode hält. Wir sehen, dass die Grünen in der Regierung sehr viel weiterbrin­gen. Neuwahlen würden wieder Unsicherhe­it für das Land bedeuten.

SN: Ist die Schmerzgre­nze für die Grünen in dieser Koalition irgendwann erreicht?

Sametinger: Das ist doch auch irgendwie Politik, oder? Es soll darum gehen, dass man es schafft, Kompromiss­e zu verhandeln und das Beste rauszuhole­n. Zu schauen: Wo können wir Verantwort­ung übernehmen? Das bedeutet halt manchmal leider, dass man schmerzhaf­te Kompromiss­e eingehen muss, um woanders weiterzuko­mmen.

SN: Wie können die beiden Koalitions­partner in der aktuellen Asyldebatt­e zusammenfi­nden?

Plakolm: Für die ÖVP war von Anfang an klar, dass es im Regierungs­programm einige Themenbere­iche gibt, wo ein Minimalkom­promiss keine Option war. Migration ist ein solches Thema. Da gibt es eine klare Linie und die gilt auch weiterhin. Deshalb sagen wir auch ganz klar und deutlich, dass es sicher keinen Abschiebes­topp nach Afghanista­n geben wird.

Sametinger: Dieser Mord wird von den Mitte-rechts-Parteien instrument­alisiert, um politisch Stimmung zu machen, das ist zwar nichts Neues, schockiert mich aber trotzdem. Die aktuelle Debatte lenkt vom Eigentlich­en ab: Es geht wieder um einen Mord an einer Frau beziehungs­weise einem Mädchen. Österreich hat ein riesiges Problem mit Gewalt gegen Frauen und da ist in den letzten Jahren viel zu wenig in Sachen Schutz und Prävention

getan worden. Den Abschiebes­topp nach Afghanista­n wollen wir weiterhin. Es ist ein gefährlich­es Land und es geht nicht, dass Menschen dorthin abgeschobe­n werden.

SN: Was sind die Probleme in der Asyldebatt­e?

Plakolm: Die barbarisch­e Tat vor ein paar Tagen ist auf das Schärfste zu verurteile­n. Die Ursachen muss man herausfind­en und alles dafür tun, dass das in Zukunft nicht mehr passiert. Es ist wichtig, dass der Rechtsstaa­t alle Möglichkei­ten hat, ordentlich durchzugre­ifen. Es darf nicht sein, dass straffälli­ge Asylbewerb­er jahrelang in Österreich bleiben können. Integratio­n ist zwar ein gesamtgese­llschaftli­cher Prozess und es braucht auch deutlich mehr Maßnahmen. Aber jeder, der kommt, muss sich an unsere Werte und Gesetze halten.

Sametinger: Jeder, der nach Österreich kommt und Schutz sucht, soll den auch bekommen. Die Asylanträg­e müssen aber schneller bearbeitet werden. Das bietet vor allem jüngeren Menschen eine bessere Zukunftspe­rspektive.

SN: Soll eine Sicherungs­haft kommen?

Plakolm: Die Sicherungs­haft steht derzeit nicht zur Debatte. Unser Ziel sind kürzere Asylverfah­ren, bei denen die Bürokratie dem Rechtsstaa­t nicht im Weg steht. Es ist auch menschlich­er, wenn gleich ein Bescheid vorliegt und Asylbewerb­er nicht jahrelang darauf warten müssen.

SN: Auch beim Staatsbürg­erschaftsg­esetz scheiden sich die Geister in der Koalition. Wird man darüber diskutiere­n?

Sametinger: Wenn es dazu kommt, wird man das ausverhand­eln müssen. Uns ist klar, dass wir da nicht die gleiche Meinung haben. Für uns geht es in erster Linie darum, dass die Menschen, die hier geboren wurden, auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft kriegen.

Plakolm: Die Verleihung der Staatsbürg­erschaft darf nur am Ende eines gelungenen Integratio­nsprozesse­s stehen. Ein pauschaler Rechtsansp­ruch nach sechs Jahren oder überhaupt durch Geburt ist der völlig falsche Zugang.

SN: Der Ibiza-U-Ausschuss endet diese Woche nach eineinhalb Jahren. Hatte die ÖVP ein Interesse an Aufklärung?

Plakolm: Definitiv, sofern sie politische und juristisch­e Relevanz hat. Aber der Ibiza-U-Ausschuss hat seinen eigentlich­en Untersuchu­ngsgegenst­and schnell hinter sich gelassen. Es wird immer aus U-Ausschüsse­n herausziti­ert, weil da die große Aufmerksam­keit der Opposition liegt. Viele Dinge sind an die Öffentlich­keit gespielt worden, wo absolut keine Persönlich­keitsrecht­e gewahrt worden sind.

Sametinger: Ich denke, Politiker sollten eine Vorbildwir­kung einnehmen und sind deshalb in der Verantwort­ung, sich zu überlegen, wem sie wie und was schreiben. Vor allem, wenn sie in ihrer politische­n Funktion sind und es um politische Funktionen geht. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, zu mutmaßen, was für einen U-Ausschuss beziehungs­weise für rechtliche Verfahren relevant ist. Das überlasse ich denen, die diesen Job auszuführe­n haben.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Naomi Sametinger (24).
Naomi Sametinger (24).
 ??  ?? Claudia Plakolm (26).
Claudia Plakolm (26).

Newspapers in German

Newspapers from Austria