Das EU-Klimapaket legt Österreichs Defizite offen
Der Ökonom Gabriel Felbermayr sieht das EU-Klimapaket durchaus kritisch. Um in der EU und in Österreich die Klimaziele zu erreichen, müsse saubere Energie billiger werden.
Österreich muss seine Anstrengungen zum Klimaschutz deutlich erhöhen. So sieht es das Gesetzespaket „Fit for 55“vor, das die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorstellte. EU-weit soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken, 2050 will Europa klimaneutral sein. Das ist seit April eine gesetzliche Vorgabe. Österreich ist eines der Schlusslichter im Klimaschutz und steht daher vor besonders schwierigen Aufgaben. Während Deutschland seine Emissionen bereits um rund 40 Prozent verringern konnte, verharrt Österreich immer noch auf dem Niveau von 1990. Größtes Sorgenkind ist der Verkehr. Der Zuwachs an Treibhausgasen beträgt hier 74,4 Prozent.
Für Österreich bedeutsam sind in dem Klimapaket etwa das geplante Ende von Steuerprivilegien etwa für Diesel auch in der Landwirtschaft, ein erhöhtes nationales Einsparungsziel
bei Treibhausgasen bis 2030 und Bestimmungen für die Forstwirtschaft.
Der EU-Plan sieht vor, den Verbrauch von fossilen Energieträgern weiter zu verteuern, um den Umstieg auf klimafreundliche Technologien zu beschleunigen. Der Autoindustrie sollen strengere Grenzwerte auferlegt werden – spätestens 2035 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
Klimaschutzministerin Leonore
Gewessler (Grüne) hat eine rasche und ambitionierte Umsetzung des von der EU-Kommission vorgelegten Klimaschutzpakets „Fit for 55“zugesichert. „Das Paket bringt viele wichtige Maßnahmen, jetzt geht es darum, sie rasch und ambitioniert umzusetzen“, ließ sie mitteilen. Insbesondere auf die soziale Gerechtigkeit werde die Regierung ein zentrales Augenmerk legen: „Wir werden im Klimaschutz niemanden zurücklassen.“
Zu viel Regulierung in Klimafragen und ein EU-Alleingang bei Zuschlägen auf Importe sind der falsche Weg, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel und ab Oktober Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo).
SN: Die Details des EU-Klimaschutzpakets werden zwischen EU-Staaten und -Parlament noch verhandelt. Ganz grundsätzlich: Wird die Mischung aus Ge- und Verboten Europas Wirtschaft innovativer machen oder weniger wettbewerbsfähig? Felbermayr: Der angedachte Politikmix wird Innovationen erzwingen. Die Unternehmen werden sehr viel mehr Ressourcen aufwenden müssen, um ihre Produkte und Prozesse umzubauen. Das wird teuer, ganz klar. Und die Gefahr ist, dass in der Tat die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Darum ist es ganz zentral, dass nicht nur schmutzige Energie teurer wird, sondern saubere Energie auch billiger. Und die Politik sollte sich nicht in Details einmischen, sondern die großen Leitlinien vorgeben – durch Regulierung, sicher, aber auch die Förderung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit sauberer Technologien.
SN: Als Ausgleich für die höheren Kosten plant die EU eine Art Klimazoll für sehr emissionsintensive Sektoren, der Importe verteuert. Das ist Neuland.
Sie sehen das kritisch. Warum? Lassen Sie uns bitte nicht von Klimazoll sprechen. Die Intention eines Zolles ist es ja, ausländische Anbieter stärker zu belasten als inländische. Der Grenzausgleich will etwas anderes: Egal wo ein Produkt hergestellt wird, es soll sein CO2Gehalt einheitlich bepreist werden. Aber ein solcher Grenzausgleich tut für sich genommen für das globale Klima nur wenig, vor allem wenn es ein europäischer Alleingang ist. Daher brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen der OECD-Staaten im Rahmen eines Klimaclubs, zum Beispiel mit der Vorgabe eines Mindestpreises für CO2. Nur wer nicht mitmacht, sollte am Ende einem Grenzausgleich unterliegen.
SN: Es gibt schon den Vorwurf, das sei Protektionismus. Erwarten
Sie Gegenmaßnahmen der hauptbetroffenen Staaten?
Der Grenzausgleich ist nicht protektionistisch, wenn er wirklich ausgleicht und nicht diskriminiert. Trotzdem kann es zu Gegenmaßnahmen kommen, etwa in Form von Strafzöllen. Ein weiterer Grund für den Klimaclub, wo man wenigstens mit einigen wichtigen Handelspartnern Konflikte von vornherein aus dem Weg räumt.
SN: Wie hoch kann eine solche Abgabe sein?
Laut EU-Kommission soll sich die Grenzausgleichsabgabe am CO2-Preis orientieren. Das ist richtig so, kann aber durchaus teuer werden. Aktuell kostet die Tonne CO2 ungefähr 53 Euro. Die Auswirkungen auf den globalen CO2-Ausstoß werden trotzdem klein sein, weil Konsum in der EU für weniger als ein Zehntel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Außerdem zieht die Dekarbonisierung in der EU den Weltmarktpreis für fossile Brennstoffe nach unten, was in anderen Ländern zusätzliche Emissionsanreize schafft.
SN: Kann Österreich seine
Ziele und EU-Vorgaben schaffen?
Und wie hoch muss oder darf die geplante Ökosteuer sein, damit der gewünschte Lenkungseffekt eintritt?
Die Ziele sind sehr ambitioniert und erfordern enorme Anstrengungen. CO2-Preise von mehr als 130 Euro sind im Gespräch. Steigt aber der CO2-Preis zu schnell und zu stark, dann wird es für die Verbraucher teuer und die Industrie verliert ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit, was Arbeitsplätze kosten kann. Dann könnte die Begeisterung für die Energiewende schnell erlahmen. Es wird daher ganz zentral sein, dass nicht nur die Belastungen steigen, sondern dass auch die Alternativen – vor allem der saubere Strom – erschwinglich bleiben. Der Staat kann hier Steuern und Abgaben senken und vor allem dafür sorgen, dass der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien auch wirklich vorankommt.