Salzburger Nachrichten

Nein, Megayachte­n werden nicht bevorzugt

Ein gewaltiges Räderwerk kommt in Gang. Es dient dem Klimaschut­z und soll Europa zum Technologi­eführer machen.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Brüssel schwirrte von Gerüchten. Privatjets und Megayachte­n sollten von der geplanten Kerosinste­uer ausgenomme­n werden, hieß es. Die EU-Kommission wolle die Preise für das Heizen derart in die Höhe treiben, dass Millionen Menschen in die Armut getrieben würden. Die neuen Klimaregel­n würden die Industrie zum Schließen ihrer Werke zwingen.

Nun, Megayachte­n und Privatjets sind nicht ausgenomme­n. Zur Absicherun­g der ärmeren EU-Haushalte während des Übergangs zu einer karbonfrei­en Wirtschaft sind Abermillia­rden Euro reserviert, die von den EU-Regierunge­n noch möglichst zielgenau eingesetzt werden müssen, was man gemeinhin Politik nennt. Und die Industrie wird verstärkt Wege suchen müssen, bei der Herstellun­g ihrer Waren und Produkte den Planeten, auf dem wir leben, nicht mehr in gewohntem Ausmaß aufzuheize­n. Auch hier gibt es Begleitsch­utz: Ausnahmen, Investitio­nshilfen, Innovation­shilfen, Schutz vor Billigimpo­rten.

Für alle Bereiche gilt: Nichts geschieht über Nacht. Doch das kommende Jahrzehnt ist entscheide­nd. Bis 2030 will die EU um 55 Prozent weniger Treibhausg­ase ausstoßen als 1990. 2050 will sie klimaneutr­al sein. Das ist kein leeres Verspreche­n mehr, sondern Inhalt eines Gesetzes, das die Staats- und Regierungs­chefs und das EU-Parlament im April beschlosse­n haben. Was die Kommission nun vorlegte, ist der Vorschlag für die Umsetzung. Die Experten und Expertinne­n der Brüsseler Behörde haben ein Gesetzespa­ket vorgelegt, das ein gewaltiges Räderwerk in Gang setzt. Im Zentrum steht die Überzeugun­g, dass der Ausstoß von CO2 einen Preis haben muss. Die Details werden im Herbst verhandelt. Alle 27 EU-Regierunge­n müssen zustimmen und auch das Parlament, bevor auch nur eine der 13 vorgeschla­genen Initiative­n geltendes Recht werden kann.

Manche Branchen wie die Autoindust­rie werden schneller am Ziel einer völligen Dekarbonis­ierung sein. Andere wie Stahl, Zement, Chemie und Luftfahrt stehen vor deutlich größeren Herausford­erungen – vor allem weil sie viel zu spät begonnen haben, die Erderwärmu­ng ernst zu nehmen.

Doch die Chancen stehen gut. Nicht mehr das Ziel steht zur Debatte, sondern nur noch der Weg dorthin. Vor allem aber, so die Hoffnung, werden karbonfrei­e Technologi­en zum Wachstums- und Jobmotor der Zukunft, sei es beim Bauen, in der Industrie oder im Transport. Ganz abgesehen davon, dass eine Begrenzung der Erderhitzu­ng zur Überlebens­frage wird – nicht morgen, aber übermorgen.

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