Was kann der digitale Euro?
Die EZB macht einen weiteren Schritt in Richtung E-Euro. Was das für Bargeld, Banken und Bitcoin bedeutet.
Die Europäische Zentralbank macht einen weiteren Schritt in Richtung digitaler Euro. Was das für das Bargeld und die Banken bedeutet.
FRANKFURT. Neun Monate hat es gedauert, nun es ist so weit. Die Rede ist nicht von einer Schwangerschaft, sondern der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den digitalen Euro voranzutreiben. Nach neun Monaten der Analyse und Experimenten mit ermutigenden Ergebnissen wolle man nun einen Gang höher schalten und das digitale Euro-Projekt starten, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. „Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen auch im digitalen Zeitalter Zugang zur sichersten Form des Geldes, dem Zentralbankgeld, haben.“
1. Was plant die EZB?
Der Rat der EZB hat am Mittwoch den offiziellen Start eines Projekts beschlossen, mit dem die mögliche Einführung eines digitalen Euro vorbereitet wird. Eine Entscheidung, ob der elektronische Euro kommt, sei das aber noch nicht. Dazu seien noch viele Fragen offen.
2. Digital bezahlen kann man auch jetzt schon. Wozu braucht es einen digitalen Euro?
Ein E-Euro wäre eine Art digitale Version von Münzen und Scheinen. EU-Bürger könnten damit erstmals ein Guthaben direkt bei der EZB haben. Während bei jetzigen Formen des digitalen Zahlens Vermittler wie Banken, Zahlungsdienstleister oder Fintech zwischengeschaltet sind, wäre das bei echtem E-Geld nicht mehr nötig. Die Währungshüter befürchten auch, dass Europa zunehmend von digitalen Zahlungsmitteln abhängig wird, die in Ländern außerhalb des Euroraums ausgegeben und von dort aus kontrolliert werden. Dies könnte die finanzielle Stabilität und geldpolitische Souveränität untergraben. Namen nannte man in Frankfurt am Mittwoch keine. Dass China mit dem E-Yuan weit fortgeschrittene Pläne hat, ist aber kein Geheimnis. Auch der Siegeszug der Kryptowährungen wie Bitcoin ist Währungshütern ein Dorn im Auge, während der US-Konzern Facebook mit Diem ebenfalls eine eigene Digitalwährung plant. Ein digitaler Euro könnte auch für geringere Transaktionskosten sorgen und grenzüberschreitendes Zahlen erleichtern.
3. Wann könnte der digitale Euro Wirklichkeit sein?
Den E-Euro wird es frühestens 2026 geben. Die EZB will in einer zweijährigen Projektphase alle Möglichkeiten ausloten und – falls man sich dafür entscheidet – binnen drei Jahren den digitalen Euro entwickeln.
4. Bringt der E-Euro Bargeld weiter unter Druck?
Davon ist auszugehen. Die Verwendung von Bargeld nimmt international ab. Die Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Auch im bargeldfreundlichen Österreich wird immer häufiger digital bezahlt. „Wir erledigen unsere Einkäufe zunehmend digital und online. Die Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel lässt nach“, räumt auch EZBDirektoriumsmitglied Fabio Panetta ein. In jedem Fall werde ein digitaler Euro das Bargeld aber nur ergänzen und nicht ersetzen, beteuert die EZB.
5. Gibt es bereits digitale Landeswährungen?
Laut einer Studie von Morgan Stanley arbeiten derzeit 86 Prozent aller
Zentralbanken weltweit an eigenen Digitalwährungen. Ein Land hat bereits eine: die Bahamas. Seit Ende 2020 gibt der Karibikstaat den „Sand-Dollar“aus. Weit fortgeschritten – und weitaus einflussreicher – ist China. Der E-Yuan wird schon in Feldversuchen getestet. In Europa ist Schweden, wo Bargeld bereits eine untergeordnete Rolle spielt, mit der E-Krone Vorreiter.
6. Wo liegen die Gefahren?
Die EZB muss sicherstellen, dass das System sicher ist. Datenschützer befürchten zudem, dass Bürger noch gläserner werden. Anonym wie Bargeld kann digitales Geld nicht sein. Laut EZB sollen die europäischen Datenschutzvorschriften aber sicherstellen, dass personenbezogene Daten nur berechtigten Behörden zugänglich sind, um Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu verhindern. „In China ist der E-Yuan bereits Teil des Überwachungsstaats“, gibt Agenda-Austria-Ökonomin Heike Lehner zu bedenken. „Deshalb ist es wichtig, dass Europa einen demokratischen Gegenentwurf bekommt.“Sie sieht auch die Gefahr eines möglichen „digitalen BankRuns“, der im Falle einer Krise zum Problem werden könnte. Allerdings hat die EZB angekündigt, sicherzustellen, dass der digitale Euro als
Zahlungsmittel und nicht als Geldanlage genutzt werden soll. Von einer Höchstgrenze von 3000 Euro pro Bürger war die Rede.
7. Wie schwierig ist die Umsetzung?
Die Realisierung sei binnen fünf Jahren technisch machbar, erklärte die EZB. Man habe bereits Tests im Euroraum durchgeführt und verschiedene Technologien getestet. Mit TIPS, dem bestehenden System für Sofortzahlungen, oder der Blockchain könnte man die 300 Milliarden Massenzahlungen verarbeiten, die jedes Jahr im Euroraum anfallen. Möglich wäre auch eine Kombination zentraler und dezentraler Technologien, die weit ökologischer wäre als etwa die Kryptowährung Bitcoin. „Der hohe Energieverbrauch von Bitcoin ist dem Mining geschuldet. Diesen Prozess der Geldschöpfung bräuchte es beim digitalen Euro ja nicht, weil Zentralbanken diese Rolle übernehmen“, sagt Alfred Taudes, der Leiter des Forschungsinstituts für Kryptoökonomie an der WU Wien.
8. Was unterscheidet den digitalen Euro von Kryptowährungen wie Bitcoin?
Während Kryptowährungen dezentral organisiert sind, wäre es der EEuro nicht. Zudem ist etwa bei Bitcoin
die Menge beschränkt. Während der Wert von Kryptowährungen stark schwanken kann, ist von Zentralbanken ausgegebenes Digitalgeld an bestehende Währungen gekoppelt – und so weit stabiler.
9. Welche Auswirkungen hat das auf die Banken?
Das hängt von der konkreten Umsetzung ab. Banken als Vermittler auszuschalten ist in Europa nicht geplant. Die EZB erklärte am Mittwoch, weiter auf Intermediäre zu setzen. Man könne mit dem digitalen Euro aber gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und Innovation fördern. Europäische Anbieter könnten so auch internationaler Konkurrenz wie Ali Pay oder Apple Pay Paroli bieten, so die Hoffnung.
10. Wie sieht die Regierung das Vorhaben?
„Es ist gut, dass die EZB sich mit der Frage eines digitalen Euros beschäftigt, weil es hier Druck durch entsprechende staatliche und private Vorhaben gibt“, sagt Finanzminister Gernot Blümel. Entscheidend werde sein, in welche Richtung die Pläne gehen. „Der digitale Euro darf jedenfalls keine Hintertür für eine Abschaffung des Bargelds sein“, sagt Blümel und fordert auch eine stärkere Regulierung digitaler Währungen ein.