Die SPÖ findet keinen Ausweg
Pamela Rendi-Wagner soll nicht bleiben, aber auch nicht gehen (zumindest nicht jetzt). Was tut die Partei, wenn sie den Parteivorsitz in den nächsten Tagen entnervt hinschmeißt?
„Unehrlich“, „Kindergartenniveau“, „Verdammt noch einmal!“– An dem, was da in der SPÖ seit Tagen an Beflegelungen hin und her schwirrt, beißen sich selbst erfahrene Politik-Analytiker
die Zähne aus. Sie finden einfach keine Erklärung.
Bei diesem Streit versagen alle politischen Deutungsversuche, denn es ist kein politischer Konflikt. In der SPÖ geht es momentan nur noch um persönliche Animositäten bis hin zu offenem Hass. Doch wo die Emotionen überhandnehmen, setzt die politische Vernunft aus. Und wo es an Vernunft mangelt, findet man keinen Ausweg.
Die Vernunft würde es gebieten, die Angriffe auf Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sofort einzustellen. Denn zum einen nimmt sich die SPÖ durch ihre Führungsdebatte jede Chance, mit ihren politischen Anliegen durchzudringen. Und zum anderen ist es auch taktisch extrem unklug, Rendi-Wagner weiter in die Enge zu treiben. Der Plan der SPÖ-Granden ist es ja offensichtlich, knapp vor der nächsten Nationalratswahl einen Wunderwuzzi aus dem Hut zu zaubern, der die Schwächen der Partei einen Wahlkampf lang zudeckt und die SPÖ damit zurück ins Kanzler- oder wenigstens ins Vizekanzleramt führt.
Das Schlüsselwort lautet „knapp“: Der Neue darf erst zum Wahlkampfstart kommen, damit er frisch wirkt und nicht durch die Mühen der Tagesarbeit gezeichnet ist. Also braucht die Partei bis dahin jemanden, der diese Tagesarbeit erledigt, und das ist Rendi-Wagner. Anstatt sie ständig zu kritisieren, müsste ihr die SPÖ unendlich dankbar sein, dass sie diese Platzhalterfunktion so geduldig ausübt. Denn was ist, wenn sie den Parteivorsitz in den nächsten Tagen entnervt hinschmeißt? Dann braucht die
Partei einen weiteren Platzhalter. Aber wer tut sich so etwas an?
Doch zu solch nüchternen Überlegungen scheint die SPÖ derzeit nicht fähig zu sein. Sie wird von Konflikten gebeutelt, die mit dem klassischen Deutungsmuster von linkem und rechtem Flügel nicht zu erklären sind. Ein Beispiel ist, dass der „linke“Ex-Kanzler Christian Kern zwar einst die „linke“RendiWagner erfand, nun aber als Berater des „rechten“Doskozil fungiert. Die alte Faymann-Clique treibt ebenfalls noch ihr Wesen – und das alles in einer Partei, die seit dem Verlust der Macht 2017 in existenzielle Nöte und eine veritable Identitätskrise geschlittert ist.
Vordringliches Ziel der SPÖ muss es sein, wieder in die Regierung zu kommen. Denn die Süße der Machtausübung deckt vieles zu – auch den Konflikt zwischen links und rechts bzw. zwischen Realos und
Fundis, den es neben den persönlichen Animositäten in der SPÖ auch noch gibt. Dieser Richtungsstreit macht der Sozialdemokratie in ganz Europa zu schaffen. In Deutschland wurde er durch eine Parteispaltung gelöst, indem sich Oskar Lafontaine und andere Unzufriedene von der SPD abspalteten und eine eigene Partei gründeten.
Auch in Österreich ist eine solche Spaltung angesichts der jüngsten Ereignisse nicht mehr ausgeschlossen. Irgendwie hat sie sogar schon stattgefunden: Die Doskozil-SPÖ im Burgenland hat nur noch wenig mit der Bundespartei Rendi-Wagners zu tun. Man denke an die tief greifenden Meinungsverschiedenheiten in der Migrationsfrage.
Eine Beilegung der roten Flügelkämpfe ist bislang nur in Wien gelungen, wo sie davor besonders heftig getobt hatten. Es ist ein politisches Meisterstück, das Bürgermeister Michael Ludwig da abgeliefert hat. Die Rufe, dass er es in der Bundespartei wiederholen sollte, werden bis zur nächsten Wahl bestimmt nicht leiser werden.