Südafrika versinkt im Chaos
Proteste gegen die Inhaftierung von Ex-Präsident Zuma münden in Gewalt und Plünderungen.
PRETORIA. „Tod, Plünderungen und Zerstörung“– so fassen Nachrichtensprecher in Südafrika derzeit das Tagesgeschehen zusammen. Die Kap-Republik droht im Chaos zu versinken. Zu Wochenbeginn hatten Demonstranten in etlichen Städten Gebäude und Fahrzeuge in Brand gesteckt. Nun kommt es zu Massenplünderungen. Mindestens 72 Menschen kamen laut Behörden bisher ums Leben; die Polizei bestätigte mehr als 1200 Festnahmen.
Beobachter sprechen von „historischer Gewalt“in dem Land, das 1994 die Rassentrennung überwand. In der Provinz Gauteng mit den Metropolen Johannesburg und Pretoria lieferten sich Polizei und Demonstranten Schießereien. „Es war wie im Krieg“, erzählte ein Arzt in Johannesburg, der Schuss- und Stichwunden versorgte. Eine dichte Rauchsäule hob sich in den Himmel von Pietermaritzburg, der Verwaltungsstadt der östlichen Provinz KwaZulu-Natal. Demonstranten zündeten dort ein Einkaufszentrum und mindestens 23 Lastwagen an.
Als Auslöser der Gewaltwelle gilt die Inhaftierung von Ex-Präsident
Jacob Zuma vergangenen Donnerstag. Dieser hatte sich geweigert, vor einer Ermittlerkommission auszusagen, die Korruptionsvorwürfe aus seiner Amtszeit von 2009 bis 2018 untersucht. Das Verfassungsgericht verurteilte ihn wegen Missachtung der Justiz zu 15 Monaten Gefängnis.
In seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal genießt Zuma jedoch immer noch große Popularität. Seine Unterstützer hatten angekündigt, das Land „unregierbar“zu machen.
Diese politische Dimension der Proteste rückt mittlerweile jedoch in den Hintergrund: Die Wut richtet sich zunehmend gegen die prekären Lebensverhältnisse. Südafrika gilt als Land mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt.
In mehreren Städten kam es in den vergangenen Tagen zu Massenplünderungen. Mit Einkaufswagen voller Bier, Bettlaken und Fernseher strömen Männer und Frauen mit Babys durch die eingeschlagenen
Schaufenster von Geschäften. In der Township Soweto wurden dabei zehn Menschen zu Tode getrampelt. Um die „Unruhen niederzuschlagen“, entsandte die Regierung Soldaten in die Straßen. Unterdessen warteten gesetzestreue Südafrikaner am Mittwoch in langen Schlangen vor Geschäften: Sowohl in Supermärkten als auch an Tankstellen kam es zu Panikkäufen.
Während Südafrikas Regierung um Kontrolle ringt, ist die Afrikanische Union in Sorge um den einstigen Hoffnungsstaat. Versage Präsident Cyril Ramaphosa dabei, Frieden und Ordnung wiederherzustellen, könne dies „massiven Einfluss auf die ganze Region“haben. Die Stiftung von Nobelpreisträger Desmond Tutu rief zum Frieden auf: „Ironischerweise werden Gewalt, Zerstörung und Plünderei die Armen am härtesten treffen.“