Salzburger Nachrichten

„Was muss passieren?“

Eine Ozeanograp­hin und andere Experten denken über die Welt nach: „Wer wir waren“ist eine eindrucksv­olle Doku über die Zukunft.

-

MAGDALENA MIEDL

WIEN. Was muss passieren, damit die Menschheit fortbesteh­en kann, damit die Gesellscha­ft gerechter wird, das Klima überlebbar bleibt? Welche dramatisch­en Fehlentwic­klungen gilt es umzukehren?

Nach seinem aufschluss­reichen Dokumentar­film „Master of the Universe“über die Abgründe der Finanzwelt holt Marc Bauder in „Wer wir waren“sechs Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­fter unterschie­dlichster Diszipline­n vor die Kamera, darunter den deutschen Astronaute­n Alexander Gerst, die US-Meeresbiol­ogin Sylvia Earle und den senegalesi­schen Sozialwiss­enschafter und Philosophe­n Felwine Sarr. Leitmotiv durch den Film ist das posthum erschienen­e Buch „Wer wir waren“von Roger Willemsen, den Bauder einen „Verbündete­n“nennt, „auch wenn wir uns nie kennengele­rnt haben“.

SN: Von vielen bisherigen Dokumentar­filmen, die sich mit Maßnahmen für eine bessere Zukunft auseinande­rsetzen, unterschei­det sich Ihr Film durch die radikale Abwesenhei­t jeder Naivität. Wie haben

Sie Ihren Zugang gefunden?

Marc Bauder: Klar, es gibt schon so viele Filme über die Klimakrise, dass man sich fragt: Haben wir die alle nicht gesehen oder haben wir keine Lust, darauf zu reagieren? Der Film erzählt nichts Neues, ich versuche aber, vorhandene­s Wissen freizulege­n, das vielleicht in Schichten zugelagert ist mit Alltag. Der innere Kompass, den wir haben, ist letztlich gar nicht so schlecht. Der Film will verschiede­ne Möglichkei­ten zeigen, aktiv zu werden: Such dir einen von diesen Leuten aus, beschäftig­e dich mit denen, aber das Wichtigste ist, dass du anfängst, deine eigene Verantwort­ung in die Hände zu nehmen. Ich glaube, dann kann man etwas anderes erreichen, als wenn ich neunzig Minuten lang auf die Kohleindus­trie einschmett­ere. Ich wollte etwas anderes: Was muss eigentlich passieren, damit wir uns als mündige Bürger betrachten und Verantwort­ung für unser Leben übernehmen?

SN: Unter den Personen im

Film ist der Wirtschaft­swissensch­after Dennis Snower eine besondere Figur, weil er die Tugend verkörpert, eine lebenslang­e Fehleinsch­ätzung einzugeste­hen.

Ja, er ist ein tolles Beispiel dafür. Snower ist heute ein wichtiger

Ideengeber für den Thinktank T20, der wiederum G20 berät, und auch wenn er nicht täglich mit Merkel zu tun hat, wird er gehört. Er ist aus seinem gewohnten universitä­ren Kontext ausgebroch­en, hat sich den Problemen und auch seinen eigenen falschen Überlegung­en gestellt und hat dann gesagt: Okay, mit diesem Wissen möchte ich jetzt etwas verändern.

In den Wirtschaft­swissensch­aften sitzen ja vielfach wirklich alte graue Männer, die wohl wissen, dass ihre Theorien veraltet und falsch sind, aber sie sitzen halt auch auf Lehrstühle­n, die Fördergeld­er bekommen – und wenn du deine Theorien selbst infrage stellst, musst du ja auch deinen Lehrstuhl infrage stellen. Aber es gibt halt auch Menschen wie Dennis Snower, die mir Hoffnung auf die Zukunft geben.

SN: Sie haben bei Ihrem letzten Film „Master of the Universe“Ihre damals noch junge Vaterschaf­t als Motivation genannt.

Hat sich die auch auf die Dringlichk­eit ausgewirkt, diesen Film zu machen?

Ja klar. Der Film ist der Versuch, mir selbst zu erklären, aber auch meinem Sohn zu zeigen, wer wir waren, in der Hoffnung, dass ich durch mein Tun mitarbeite­n kann, dass ein neues Wir entsteht, an dem man andocken kann. Das Traurigste wäre, wenn er in meinem Alter den Film anschaut und sagen muss: „Hat sich nichts geändert.“Ich würde mir wünschen, dass er dann diesen Film sieht und sagen kann: „Mensch, wie waren die? Ganz schön ängstlich – wie konnten die so lange in so einem Zustand verharren, wohlwissen­d, dass es längst überfällig ist, sich zu verändern?“

„Es gibt Leute, die Hoffnung geben.“

Film: „Wer wir waren“. Doku, Deutschlan­d 2021. Regie: Marc Bauder. Mit Alexander Gerst, Matthieu Ricard, Dennis Snower, Sylvia Earle, Janina Loh, Felwine Sarr. Start: 16. 7.

 ??  ??
 ??  ?? Marc Bauder, Regisseur
Marc Bauder, Regisseur

Newspapers in German

Newspapers from Austria