Alles andere ist nur Kino
„Fast & Furious 9“feierte in Cannes im Strandkino Premiere.
CANNES. Auf der Leinwand Palmwedel, im Hintergrund Saurier-Silhouetten, der Soundtrack dröhnt. Die Lage spitzt sich zu an diesem Montagabend im Strandkino an der Croisette. Noch hat der Hauptfilm nicht begonnen, ein Clip aus dem für 2022 angekündigten Blockbuster „Jurassic World: Dominion“macht Stimmung. Hunderte drängen heran, derweil Sicherheitsleute die Absperrungen schließen. Ein junger Vater hält einem der Männer seine vierjährige Tochter anklagend entgegen, „sie hat sich doch so gefreut“, doch es hilft nichts: Das Cinéma de la Plage, das alljährliche Gratis-Strandkino zur Festivalzeit, ist voll anlässlich der Premiere von „Fast & Furious 9“, dem jüngsten Teil des Autofilm-Franchise.
Dass Präsident Emmanuel Macron früher an diesem Montagabend in einer Rede an die Nation von der Gefahr der Delta-Variante gesprochen hatte, die zum Glück erst nach der diesjährigen Urlaubssaison ernst wird, dürfte zumindest ein paar der Anwesenden daran erinnert haben, vorschriftsgemäß Maske zu tragen.
Der Zutritt zum Strand ist offiziell nur für 800 Personen genehmigt, ohnehin haben sich neben den
Strandstühlen schon einige mehr Menschen hingelagert. Doch ab tausend Personen wird eine Überprüfung von Impfpass oder negativem Testergebnis fällig, und das wäre nicht administrierbar, erläutert eine Dame im bordeauxroten Festival-T-Shirt. Dass mehr hineinwollen, sich teils seit Stunden angestellt haben, ist einzusehen, denn „Fast & Furious 9“ist großes Kino mit ordentlich Krach, und dass das Festival durch den ungewohnten Julitermin in die Sommerferien fällt, macht den Andrang nicht geringer.
Inzwischen hat auf der gigantischen Leinwand der Film begonnen: wieder eine Dschungelszene, herabfallende Felsen, eine drastische Autoverfolgungsjagd durchs Dickicht. Dom Toretto (Vin Diesel) rettet seine Mitstreiterin Letty (Michelle Rodríguez) im letzten Moment, das lässt sich auch gut vom Trottoir der Croisette aus beobachten. Dann eilt ein älterer Monsieur heran, wedelt mit seinem Presseausweis. Die Sicherheitsleute versuchen ihn mit Hinweis auf die Überfüllung wegzuschicken, er beginnt eine Diskussion: Er sei behindert, das sei Diskriminierung, er sei hier außerdem nicht zum Spaß, sondern zur Arbeit und man müsse in diesem Land offenbar schwarz oder Jude sein, um irgendetwas zu bekommen. Ein paar Umstehende versuchen den Mann zu beruhigen, unterdessen überlebt auf der Leinwand ein Mann einen Felssturz nur knapp. Die Ursache für den Felssturz erschließt sich aufgrund des Geschreis nicht, aber es sieht fantastisch aus.
Zwei elegante alte Damen bleiben just in dem emotionalen Moment stehen und schauen, als klar wird, dass Doms Widersacher in diesem Film sein verstoßener Bruder Jakob Toretto (John Cena) ist. Er hat sich mit der bösen Cipher (Charlize Theron) zusammengetan, um via Internet den Zugriff auf weltweit alle Langstreckenraketen zu bekommen, wegen Weltherrschaft oder so. Zum Glück hat Dom einen kompetenten Hacker im Team, der Jakob hoffentlich stoppen wird. Der glücklose Journalist zieht grantelnd ab, jetzt wird alles gut: mit den Zehen im Sand oder auf dem Asphalt, eventuell eine Bierdose neben sich, bei spektakulären Stunts applaudierend, auf jeden Fall vor großer Leinwand, so soll dieser Film genossen werden, als pures Zirkusvergnügen. Alles andere ist nur Kino.