Ein Lump aus Bergamo prägt das Maskenspiel
Das Salzburger Straßentheater holt sein 50-Jahr-Jubiläum mit einem Klassiker nach: Carlo Goldonis Lustspiel „Der Diener zweier Herren“.
Bergamo, war da nicht etwas? Als die Fußballer der örtlichen Atalanta im Februar 2020 die Elf aus Villarreal im Europacup empfingen, nahmen spanische Schlachtenbummler das Coronavirus als Reisesouvenir mit nach Hause. Heute gilt das Spiel als erstes Superspreader-Ereignis der Pandemie.
Daran konnte Carlo Goldoni freilich vor knapp 300 Jahren nicht denken, als er einen bergamaskischen Schelm ins Zentrum seines Lustspiels „Der Diener zweier Herren“stellte. Truffaldino reitet sich unentwegt ins Schlamassel, weil er auf der Suche nach Essbarem sich gleich zwei Edelmännern andient – und dabei einen Verwechslungsreigen in Gang setzt. Der Klassiker der Commedia dell’arte hält sich bis heute auf Theaterspielplänen. Auch das Salzburger Straßentheater reiste bereits mit Goldonis Stück im Gepäck per Thespiskarren durch Stadt und Land. Klaus Gmeiner inszenierte den „Diener zweier Herren“in den Jahren 1997 und 2000, den Truffaldino verkörperte ein gewisser Georg Clementi.
Der Publikumsliebling ist inzwischen der Leiter des Salzburger Straßentheaters; zum – pandemiebedingt verschobenen – 50-Jahr-Jubiläum wird der „Diener zweier Herren“bis zu 40 Mal gespielt. Damit
kehrt die Institution der Salzburger Kulturvereinigung, die in Zeiten von Gründer Oscar Fritz Schuh vorrangig um Nestroys Stücke gekreist ist, zurück zum klassischen Theaterstoff.
Als Truffaldino schickt Clementi seinen Südtiroler Landsmann Max G. Fischnaller ins Rennen. Der bestimmt das – teils irrwitzige – Tempo des Spiels und beherrscht die virtuosen Verrenkungen, mit denen sich der vorwitzige Truffaldino immer wieder aus der selbstverschuldeten Bredouille ziehen kann.
Fischnaller ist das Zentrum der Inszenierung, in der superkompakten 80-Minuten-Version bleibt wenig Platz für die weiteren Figuren. Alex Linse spielt als Wirt Brighella („Sehr beleibt, äh, beliebt“) seine ganze komödiantische Kunst aus; Samantha Steppan erweckt die Rolle der Smeraldina plastisch zum Leben. Die Kammerzofe bietet Truffaldino Paroli und erobert sein Herz.
Und Georg Clementi selbst? Der sitzt auf dem Dach der Trattoria und begleitet die Schauspieler auf der Gitarre. Als bis zu achtstimmiger Chor durchwandern die stimmgewaltigen Akteure den Katalog des Italo-Pop, von „Azzurro“bis „Zuppa Romana“. Geschickt setzt Clementi den Sehnsuchtseffekt unsterblicher Melodien von Paolo Conte oder Umberto Tozzi ein, die zudem als Scharnier zwischen den Szenen funktionieren.
Die Pandemie spielt kaum eine Rolle. Das böse C-Wort kommt nicht vor, die virologische Trilogie mit Pest und Cholera bleibt vielsagend unvollendet. Das Publikum – die Generalprobe am Dienstag musste wetterbedingt ins Innere des Lehrbauhofs verlagert werden – genießt das Theatererlebnis ohne Abstand und Mund-Nasen-Schutz sichtlich. Truffaldino und seinesgleichen hingegen spielen mit Maske. Aber das ist keine Beschränkung, sondern gute Tradition in der Commedia dell’arte.
Eine Rückkehr zum klassischen Theaterstoff