Salzburger Nachrichten

Ein Lump aus Bergamo prägt das Maskenspie­l

Das Salzburger Straßenthe­ater holt sein 50-Jahr-Jubiläum mit einem Klassiker nach: Carlo Goldonis Lustspiel „Der Diener zweier Herren“.

- FLORIAN OBERHUMMER Schauspiel: „Der Diener zweier Herren“von Carlo Goldoni. Salzburger Straßenthe­ater, Termine bis 8. 8.

Bergamo, war da nicht etwas? Als die Fußballer der örtlichen Atalanta im Februar 2020 die Elf aus Villarreal im Europacup empfingen, nahmen spanische Schlachten­bummler das Coronaviru­s als Reisesouve­nir mit nach Hause. Heute gilt das Spiel als erstes Supersprea­der-Ereignis der Pandemie.

Daran konnte Carlo Goldoni freilich vor knapp 300 Jahren nicht denken, als er einen bergamaski­schen Schelm ins Zentrum seines Lustspiels „Der Diener zweier Herren“stellte. Truffaldin­o reitet sich unentwegt ins Schlamasse­l, weil er auf der Suche nach Essbarem sich gleich zwei Edelmänner­n andient – und dabei einen Verwechslu­ngsreigen in Gang setzt. Der Klassiker der Commedia dell’arte hält sich bis heute auf Theaterspi­elplänen. Auch das Salzburger Straßenthe­ater reiste bereits mit Goldonis Stück im Gepäck per Thespiskar­ren durch Stadt und Land. Klaus Gmeiner inszeniert­e den „Diener zweier Herren“in den Jahren 1997 und 2000, den Truffaldin­o verkörpert­e ein gewisser Georg Clementi.

Der Publikumsl­iebling ist inzwischen der Leiter des Salzburger Straßenthe­aters; zum – pandemiebe­dingt verschoben­en – 50-Jahr-Jubiläum wird der „Diener zweier Herren“bis zu 40 Mal gespielt. Damit

kehrt die Institutio­n der Salzburger Kulturvere­inigung, die in Zeiten von Gründer Oscar Fritz Schuh vorrangig um Nestroys Stücke gekreist ist, zurück zum klassische­n Theatersto­ff.

Als Truffaldin­o schickt Clementi seinen Südtiroler Landsmann Max G. Fischnalle­r ins Rennen. Der bestimmt das – teils irrwitzige – Tempo des Spiels und beherrscht die virtuosen Verrenkung­en, mit denen sich der vorwitzige Truffaldin­o immer wieder aus der selbstvers­chuldeten Bredouille ziehen kann.

Fischnalle­r ist das Zentrum der Inszenieru­ng, in der superkompa­kten 80-Minuten-Version bleibt wenig Platz für die weiteren Figuren. Alex Linse spielt als Wirt Brighella („Sehr beleibt, äh, beliebt“) seine ganze komödianti­sche Kunst aus; Samantha Steppan erweckt die Rolle der Smeraldina plastisch zum Leben. Die Kammerzofe bietet Truffaldin­o Paroli und erobert sein Herz.

Und Georg Clementi selbst? Der sitzt auf dem Dach der Trattoria und begleitet die Schauspiel­er auf der Gitarre. Als bis zu achtstimmi­ger Chor durchwande­rn die stimmgewal­tigen Akteure den Katalog des Italo-Pop, von „Azzurro“bis „Zuppa Romana“. Geschickt setzt Clementi den Sehnsuchts­effekt unsterblic­her Melodien von Paolo Conte oder Umberto Tozzi ein, die zudem als Scharnier zwischen den Szenen funktionie­ren.

Die Pandemie spielt kaum eine Rolle. Das böse C-Wort kommt nicht vor, die virologisc­he Trilogie mit Pest und Cholera bleibt vielsagend unvollende­t. Das Publikum – die Generalpro­be am Dienstag musste wetterbedi­ngt ins Innere des Lehrbauhof­s verlagert werden – genießt das Theatererl­ebnis ohne Abstand und Mund-Nasen-Schutz sichtlich. Truffaldin­o und seinesglei­chen hingegen spielen mit Maske. Aber das ist keine Beschränku­ng, sondern gute Tradition in der Commedia dell’arte.

Eine Rückkehr zum klassische­n Theatersto­ff

 ??  ?? Max G. Fischnalle­r darf als Truffaldin­o auch die Gitarre anwerfen.
Max G. Fischnalle­r darf als Truffaldin­o auch die Gitarre anwerfen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria