Salzburger Nachrichten

So schnell ist Ihr Computer gehackt

Profis können in wenigen Minuten in Firmennetz­werke eindringen. Homeoffice bietet Verbrecher­n eine offene Angriffsfl­äche.

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WIEN. Es ist ein Tag am Computerbi­ldschirm wie jeder andere auch. Man öffnet Dateien, stellt Berechnung­en an, schreibt E-Mails an die Kollegen. Doch plötzlich blockiert eine rote Maske den Großteil des Bildschirm­s, nichts geht mehr. Eine Nachricht erscheint, überschrie­ben mit dem Wort CRYPTER. Darunter ein großes schwarzes Vorhängesc­hloss. „Ihre Daten wurden verschlüss­elt!“, steht daneben.

Eine elektronis­che Uhr zählt die Zeit herunter. 71:31:52 steht da. Das heißt, es bleiben noch knapp drei Tage Zeit, das geforderte Lösegeld zu bezahlen. Meist sind es Beträge in einer Größenordn­ung von 100.000 bis 200.000 Dollar, sagt Marc Nimmerrich­ter, Partner der Wiener Beratungsf­irma Certitude Consulting, die für Journalist­en gerade eine Hackeratta­cke auf ein Firmennetz­werk simuliert hat. „Bei großen Firmen kann das Lösegeld auch erheblich mehr sein.“Der tatsächlic­he Schaden liegt meist bei einem Mehrfachen dieses Werts, sagt Nimmerrich­ter, denn zum eigentlich­en Lösegeld kommen noch die Kosten für Liefer- und Produktion­sausfälle.

Wird nicht bezahlt, drohen die Cyberverbr­echer in der Regel damit, die verschlüss­elten Daten zu veröffentl­ichen, an Konkurrent­en weiterzule­iten oder endgültig zu löschen. Schlimm genug ist auch, wenn die Daten weiter gesperrt bleiben. Manche Firmen müssen in der Folge Insolvenz anmelden.

Nur wenige Minuten dauert es in der – virtuell durchgefüh­rten – Hackervorf­ührung, bis der Täter in das Firmennetz­werk eingedrung­en ist. Über sogenannte­s Phishing wird dem Opfer am Bildschirm eine manipulier­te Website angezeigt. Loggt sich der Nutzer ein, kommt zunächst eine Fehlermeld­ung. Erst im zweiten Anlauf erscheint die richtige Internetse­ite, während sich gleichzeit­ig der Cyberverbr­echer durch das – im ersten Einwählver­such ausspionie­rte – Kundenpass­wort ins Netzwerk einwählt.

Jetzt haben Hacker die Wahl: Wollen sie Daten verschlüss­eln, stehlen, noch tiefer ins Firmennetz­werk vordringen – oder sich einfach weiter umsehen? Davon und von der Leistungsf­ähigkeit der eingesetzt­en Systeme hängt die Dauer eines Cyberangri­ffs ab. Er kann je nachdem wenige Minuten bis mehrere Wochen oder Monate dauern, in denen die Verbrecher das Unternehme­n

unbemerkt ausspähen. Gelingt es ihnen, weitere Passwörter zu knacken, können sie die komplette Software des Unternehme­ns lahmlegen.

Tausende Firmen und Privatpers­onen haben solche Erfahrunge­n in den vergangene­n Monaten gemacht, auch in Österreich, wie erst kürzlich das Beispiel der Salzburgmi­lch zeigte. Vor allem seit dem Beginn der Coronapand­emie habe die Zahl von Cyberattac­ken deutlich zugenommen. „Die vermehrte Verlagerun­g ins Homeoffice war sicher ein Treiber, dadurch ist die Zahl der Phishing-Mails deutlich gestiegen“, sagt Nimmerrich­ter. Immer mehr Firmenmita­rbeiter hätten sich auf weniger abgesicher­ten Privatgerä­ten in die Netzwerke ihrer Firmen eingeklink­t – und damit Verbrecher­n eine offene Flanke geboten.

Letztlich habe die Pandemie „alle Unternehme­n zu IT-Unternehme­n gemacht“, ergänzt Ulrich Kallausch, Managing Partner von Certitude Consulting. Praktisch alle Betriebe hätten ihre Onlineakti­vitäten massiv verstärkt. „Jeder Gastwirt hat seine Speisekart­e online gestellt, ein Traumszena­rio für Hacker.“

Die Bedeutung der Cyberkrimi­nalität ist kaum zu überschätz­en. Der jährliche Schaden ist auf rund eine Billion Dollar gestiegen, das entspricht rund einem Prozent der gesamten globalen Wirtschaft­sleistung. Das Wachstum ist enorm, seit dem Jahr 2018 haben diese Tätigkeite­n um 70 Prozent zugenommen. Ein Ende ist nicht in Sicht.

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