Weißhaidinger zündet die Rakete
Nachttrainings und späte Anreise nach Tokio: Der österreichische Diskuswerfer fährt für seinen Olympiatraum ein riskantes Programm.
Noch acht Tage bis zu Olympia in Tokio
SALZBURG. Kann das gut gehen? Wenn Lukas Weißhaidinger am 30. Juli bei den Olympischen Spielen in Tokio zur Qualifikation im Diskuswurf antritt, ist es in Europa 3 Uhr früh. Weil er noch dazu erst drei Tage vorher zum Wettkampf nach Japan anreist, könnte der Jetlag den Medaillenkandidaten beeinträchtigen. „Natürlich ist das riskant“, sagt sein Trainer Gregor Högler.
Praktisch alle Konkurrenten des WM-Dritten von Doha 2019 sind bereits in Tokio oder werden in den kommenden Tagen in die Olympiastadt reisen. „Wir fliegen erst am 27. Juli“, erklärt Högler. „Sie machen es so, wir anders.“Sollte der Alternativplan schiefgehen, übernehme er die Verantwortung.
Lukas Weißhaidinger bleibt mit seiner ungewöhnlichen Vorbereitung länger in der gewohnten Umgebung und erspart sich beispielsweise das strenge Test- und Abstands-Prozedere, das in Tokio gilt. Dafür muss der Oberösterreicher aber zur Gewöhnung auch Trainings zu nachtschlafender Zeit einbauen.
Andere Wege gehen er und Trainer Högler auch beim Trainingsaufbau. Normalerweise wäre jetzt spezielles Krafttraining angesagt. Das wurde aber vorgezogen. Dieser Inhalt sei gefährlicher und zerstöre das Timing, sagt Högler. „Wir haben jetzt noch Zeit, wir finden das Timing hundertprozentig. Hätte ich es umgekehrt gemacht, wäre es mir zu riskant gewesen“, erklärt der Coach. Deshalb seien auch die Resultate von Weißhaidinger bei den Diamond-League-Meetings in Oslo (Dritter) und Stockholm (Achter) eher mäßig gewesen.
Diese vermeintlichen Rückschläge habe man aber in Kauf genommen. Nun könne Weißhaidinger drei Wochen lang die Kräfte kanalisieren. Högler erläutert: „Wir brauchen eine Rakete in eine Richtung. Wenn sich die betroffenen Körperpartien nach dem speziellen Krafttraining erholen, zündet es hingegen wie ein Feuerwerk in alle Richtungen.“
Konkurrenten wie der schwedische Weltmeister Daniel Ståhl oder der Slowene Kristjan Čeh, bei den Diamond-League-Meetings jeweils Erster und Zweiter, müssten ihre Form erst einmal konservieren. Für
Högler ist Ståhl auch in Tokio klarer Favorit, seinen Schützling Weißhaidinger sieht er im erweiterten Kreis: „Mir ist das nicht unangenehm, da wirft es sich angenehmer.“
Nach Rang sechs in Rio 2016 will der 29-Jährige natürlich diesmal höher hinaus. Zusätzliche Motivation sind für ihn und die sechs weiteren österreichischen Leichtathleten die Prämien, die Partner Helvetia in Aussicht stellt. Für Gold gibt es die Rekordprämie von 205.000 Euro, für Silber 100.000 und für Bronze 50.000 Euro.
Die höchsten Olympiaprämien in Österreichs Sportgeschichte erklärt Helmut Baudis, Generalsekretär des Österreichischen Leichtathletikverbands ÖLV: „Unsere Sportler investieren sehr viel Zeit mit hohem körperlichen Einsatz und Verletzungsrisiko. Während ihre Altersgenossen ihre beruflichen Karrieren aufbauen, streben sie nach sportlichen Höchstleistungen, die sich am Arbeitsmarkt dann später nur selten lohnen.“
Neben Weißhaidinger sind die rot-weiß-roten Leichtathleten durch die Siebenkämpferinnen Verena Mayr und Ivona Dadic, die Marathonläufer Peter Herzog und Lemawork Ketema sowie Victoria Hudson im Speerwurf und Susanne Walli über 400 Meter vertreten.