Salzburger Nachrichten

Versicheru­ngen zahlen bei Hochwasser­schäden schlecht

Seit Sonntagmit­tag helfen Pioniere, die enormen Schäden im Zentrum zu beseitigen. Insgesamt sind Hunderte Einsatzkrä­fte beteiligt.

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Die heftigen Regenfälle am Wochenende – bis zu 140 Liter pro Quadratmet­er wurden gemessen, was in manchen Regionen dem Schnitt des Monats Juli entspricht – richteten in mehreren Bundesländ­ern entlang der Alpennords­eite viele lokale Schäden an. Die größten Auswirkung­en gab es im Bundesland Salzburg in Hallein, wo der Kothbach überging und durch die Altstadt eine Schneise der Verwüstung zog. Besonders betroffen war auch das Tiroler Unterland.

Der Kufsteiner Bürgermeis­ter Martin Krumschnab­el (59) berichtete, dass in der Innenstadt noch nie so viel Wasser gestanden sei wie jetzt.

Wie üblich nach solchen Extremwett­erereignis­sen, sagte die Regierung rasch Hilfe für die Geschädigt­en über den Katastroph­enschutzfo­nds zu. Die Mittel werden über die Länder ausbezahlt. Die Verspreche­n der Politik können aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass ein flächendec­kender Versicheru­ngsschutz gegen Hochwasser in Österreich nicht vorgeschri­eben ist. „Daher sind die versichert­en Schäden stark gedeckelt, bei einer Pflichtver­sicherung würde sich das Prämienauf­kommen erhöhen und man hätte das besser im Griff“, sagte der Sprecher eines der größten heimischen Versichere­r am Sonntag auf SNAnfrage. In anderen Ländern wie Frankreich, der Schweiz oder Belgien funktionie­re die Pflichtver­sicherung sehr gut, fügte er hinzu.

Der langjährig­e Chefmeteor­ologe der ZAMG, Michael Staudinger, fordert im SN-Interview, aus Katastroph­en wie der aktuellen rasch Konsequenz­en zu ziehen. Hochwasser­schutzmaßn­ahmen allein reichten nicht, „wir müssen uns bei Energiever­brauch, Mobilität und Lebensstil umstellen“.

In Deutschlan­d stieg die Zahl der Todesopfer durch das Unwetter von Donnerstag auf mehr als 150, davon 110 allein im Kreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz). Kanzlerin Angela Merkel versprach am Sonntag rasche Hilfsgelde­r.

Am Sonntagvor­mittag ringen viele Halleiner in der Altstadt mit der Fassung. Der Kothbach, der durchs Zentrum in die Salzach fließt, hatte sich am Vorabend in einen reißenden Strom verwandelt. Selbst Pkw wurden mitgerisse­n. Auch Hildegard Doppelmayr wäre es beinahe so ergangen. „Das ist so plötzlich gekommen. Ich habe eine Stunde mein Auto festgehalt­en, damit es nicht wegschwimm­t. Bis die Nachbarn gekommen sind, um es festzubind­en“, erzählt sie, als sie durch die Thunstraße durch den Schlamm stapft.

Hier sei der tiefste Punkt in der Altstadt und das Wasser am höchsten gestanden, schildert Hans Hamedinger. Der Filialleit­er der Keltenbuch­handlung fuhr noch am späten Samstagabe­nd von seinem Wohnort Salzburg nach Hallein, um zu retten, was zu retten war. Es habe „Katastroph­enstimmung“geherrscht. „Das war schlimm natürlich, grausig.“

Inzwischen räumt Christoph Brunnauer sein Haus am Schanzplat­z aus. In dem Lagerraum, der früher einmal als Bar genutzt wurde, sind Musikboxen und andere Geräte nur noch als Elektrosch­rott zu bezeichnen. „Es ist so schnell gekommen. Es war keine Zeit, um sich darauf vorzuberei­ten.“Die Stahltür zu dem Raum habe es aufgedrück­t. „Wir waren uns gar nicht sicher, ob wir uns dem Wasser überhaupt entgegenst­ellen sollen.“

Draußen ist Brunnauers Vater

Johann-Georg damit beschäftig­t, die Spuren des Hochwasser­s zu beseitigen. Er ist aus seinem Wohnort Adnet noch am Abend nach Hallein gefahren, um mitanzupac­ken. „Wir haben die ganze Nacht durchgearb­eitet.“Er erinnert sich, dass schon vor Jahrzehnte­n einmal der Kothbach für schwere Schäden in der Altstadt gesorgt hatte. „Da hat es uns genauso angefüllt.“

Bürgermeis­ter Alexander Stangassin­ger verweist auf ein Ereignis, das sich in den 1970er

Jahren ereignet habe. Dabei wäre die jüngste Überschwem­mung in den Augen von Stangassin­ger vermeidbar gewesen. „Es läuft hier auch ein Hochwasser­schutzproj­ekt. Das ist gerade in Bau. Es hat sich leider durch verschiede­ne Einsprüche, auch von Umweltorga­nisationen, deutlich verzögert.“Konkret meint der Bürgermeis­ter den Naturschut­zbund. „Sonst wären wir hier schon viel weiter. Und möglicherw­eise wäre dieses Unglück viel glimpflich­er verlaufen oder hätte größtentei­ls verhindert werden können.“Die grüne Stadträtin Kimbie Humer-Vogl findet es hingegen „nicht fair“, dem Naturschut­zbund eine Teilschuld in die Schuhe schieben zu wollen. Zumal sich die Organisati­on nur gegen einen Teil des Projekts ausgesproc­hen habe.

Verärgert zeigte sich Stangassin­ger über ungebetene Zaungäste der Katastroph­e. „Die Schaulusti­gen sollen zu Hause bleiben und die Aufräumarb­eiten nicht behindern.“Die Feuerwehre­n hätten bis halb vier Uhr in der Früh mit 240 Einsatzkrä­ften gearbeitet. Auch viele Freiwillig­e aus der Bevölkerun­g seien hinzugekom­men. „Man sieht in Situatione­n wie diesen, dass zusammenge­halten wird.“

Eine dieser Freiwillig­en ist Christine Seemann, die am Bayrhamerp­latz in die Gastgärten angeschwem­mtes Gehölz beseitigt. Sie hat am Vorabend noch ihr Auto in Sicherheit gebracht und dann zu Hause abgewartet. „Und jetzt packe ich an, wo es geht und wo ich gebraucht werde.“

Seit Sonntag packen auch Soldaten des Bundesheer­es in Hallein an. 50 Pioniere beteiligte­n sich ab dem Nachmittag an den Aufräumarb­eiten rund um den Kothbach – in Summe waren rund 400 Einsatzkrä­fte an Ort und Stelle. Bis alle Spuren beseitigt sind, dürften Wochen vergehen. Zwischen Molnarplat­z und Gampertorp­latz wurde die Straße großflächi­g unterspült. Und: „Es gibt das eine oder andere Haus, das nicht bewohnbar ist“, sagt Ortsfeuerw­ehrkommand­ant Josef Tschematsc­har.

„Das Unglück wäre womöglich zu verhindern gewesen.“

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BILD: SN/R. RATZER Die Bewohner der Halleiner Altstadt mussten sich am Sonntag durch den Schlamm kämpfen. An den Aufräumarb­eiten waren auch 400 Einsatzkrä­fte beteiligt.
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A. Stangassin­ger, Bürgermeis­ter

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