Klimaticket: Feilscherei statt 1-2-3
Es wird eng mit der Einführung einheitlicher und günstigerer Jahreskarten für den öffentlichen Verkehr noch in diesem Jahr. Im Osten könnte das Klimaticket jetzt Zwischenstufen bekommen. Der Preis ist ebenfalls noch in Verhandlung.
Mit der Einführung der günstigeren Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr noch in diesem Jahr wird es eng.
Umweltministerin Leonore Gewessler ist optimistisch, dass ihr „Herzensprojekt“2021 startet. „Mit dem 1-2-3-Klimaticket bringen wir noch in diesem Jahr eine echte Revolution im öffentlichen Verkehr an den Start“, bekräftigt die grüne Ministerin am Wochenende. Um umgerechnet drei Euro am Tag mit allen Öffis durch ganz Österreich sei „wirklich ein unschlagbares Angebot“.
Doch es ist keineswegs sicher, dass der ohnehin schon etwas nach hinten verschobene Zeitplan hält. Mit dem Verkehrsverbund Ostregionen (VOR), dem mit Abstand größten Österreichs, gibt es nach wie vor keine Einigung über den Kostenausgleich für die künftig günstigeren Jahreskarten.
Das ursprüngliche Konzept sieht eine 365-Euro-Jahreskarte (Stufe 1) für den gesamten öffentlichen Verkehr in einem Bundesland vor, ein 730-Euro-Ticket für zwei Bundesländer (Stufe 2) sowie die österreichweite Stufe für 1065 Euro. Diese dritte Stufe, das Österreich-Klimaticket, solle noch 2021 umgesetzt werden.
Wien, Niederösterreich und das Burgenland wollen aber alle drei Varianten zugleich einführen. Beim zentralen Problem der drei im VOR zusammengeschlossenen Bundesländer gab es vorige Woche eine Annäherung. Die rund 50.000 Pendler, die täglich vom Burgenland nach Wien fahren, manche darunter nicht viel mehr als 50 Kilometer pro Strecke, sollen kein Österreich-Ticket benötigen. Es soll eine eigene Ticketstufe, die alle drei Bundesländer umfasst, für rund 900 Euro geben, so der VOR-Vorschlag. Derzeit zahlen Pendler für die Strecke Neusiedl–Wien 1548 Euro. Wer nur in Niederösterreich und im Burgenland unterwegs ist, soll künftig ein Ticket für 550 Euro kaufen können.
Auch für Pendler aus den Wiener Umlandgemeinden ist eine Sonderlösung vorgesehen, damit sie künftig nicht mehr zahlen müssen als jetzt. „Für die 200.000 täglich nach Wien pendelnden Menschen ist eine Lösung nötig, die ihren Mobilitätsanforderungen entspricht“, sagt
VOR-Sprecher Georg Huemer. 2021 geht sich aus seiner Sicht noch aus, es müsste aber noch im Sommer eine Einigung geben. Denn für ein professionell vorbereitetes und ausfinanziertes Klimaticket seien umfangreiche administrative Vorarbeiten notwendig, die drei bis vier Monate in Anspruch nähmen – nicht nur „mehr oder weniger detailliert durchdeklinierte Willensbekundungen“. Der kleine Seitenhieb gilt den Verkehrsverbünden in anderen Bundesländern, etwa Salzburg, die mit Gewessler bereits einig sind.
„Die Mobilitätswende spielt sich in der Ostregion ab, hier befindet sich Österreichs einzige Metropole, hier befinden sich rund 60 Prozent der heimischen Fahrgäste und hier werden über 50 Prozent des öffentlichen Verkehrsangebots des Landes gefahren“, sagt Huemer.
Knackpunkt ist – neben der Verwendung der Kundendaten – weiter das Geld, aber nicht nur. Zwar hat die Regierung zusätzlich zu den fast 500 Mill. Euro weitere 100 Mill. Euro für die Bundesländer lockergemacht – verteilt nach dem Bevölkerungsschlüssel. Wien, Niederösterreich und das Burgenland sind aber mit ihrem Anteil von rund 43 Prozent nicht zufrieden. Es geht um einen dreistelligen Millionenbetrag. Unter anderem wird der Bund die Zuschüsse zu den 870.000 Jahreskarten in Wien übernehmen. Die Bundeshauptstadt hat das EinserTicket bereits 2012 eingeführt. Die deutlich billigeren Tickets werden mehr Kunden anziehen und dafür müsse das Angebot ausgeweitet werden, weil die Züge und Busse zu den Stoßzeiten schon jetzt überfüllt seien, sagt Huemer.
Gewessler betont, es gebe „weit fortgeschrittene Gespräche“mit dem VOR, und ist zuversichtlich, „sie rasch zu einem guten Ende zu bringen“. Man habe von Vorarlberg bis in die Steiermark überall passende Lösungen gefunden. „Jetzt wollen wir alle die Menschen in Österreich, die sich auf dieses Ticket freuen, nicht länger warten lassen.“
Die Zwischenstufen würden das ursprünglich klare 1-2-3-Konzept der Ministerin aufweichen. Aus Ministeriumskreisen heißt es aber, dass die Umsetzung daran nicht scheitern werde. Denn die Ticketgestaltung auf regionaler Ebene sei Sache der jeweiligen Verkehrsverbünde. Überlappungsregionen zwischen Bundesländern mit vielen Pendlern gebe es nicht nur im Osten. Statt vom „1-2-3-Ticket“ist nun jedenfalls immer öfter nur vom Klimaticket die Rede. Die entsprechende Webseite klimaticket.at wurde bereits von den ÖBB reserviert.
In Salzburg hat man sich Ende 2020 mit dem Ministerium auf die Stufe drei, also das österreichweite Ticket, geeinigt. Auch die Stufe eins dürfte keine Probleme bereiten, schließlich gibt es bereits eine Jahresnetzkarte. Bei der Stufe 2 – also Jahresnetzkarten für alle Öffis in zwei Bundesländern – ist man sich noch nicht ganz einig. „Das ZweierTicket ist noch nicht final ausverhandelt“, sagt Johannes Gfrerer, Sprecher des Salzburger Verkehrsverbund (SVV). Wichtig sei, dass es für Pendler keine Verschlechterungen gebe. „Es gibt in Salzburg bereits grenzüberschreitende Tickets, nach Oberösterreich oder ins Berchtesgadner Land. Pendler richten sich nicht nach Landesgrenzen, sondern nach dem Zentrum. Und das ist bei uns eben die Stadt Salzburg“, sagt Gfrerer. So können Pendler etwa zusätzlich zur Jahreskarte fürs ganze Bundesland einzelne Zusatzstrecken, etwa nach Braunau oder Lengau, dazubuchen. Das kommt in Summe günstiger als das geplante Klimaticket für zwei Bundesländer, das laut ursprünglichen Plänen mit 730 Euro zu Buche schlägt. „Gerade im Grenzbereich ist der Preissprung sehr hoch. Ob man mit dem Ticket theoretisch bis hinter Linz fahren kann, ist für die meisten Pendler gar nicht wichtig.“
In Salzburg gibt es derzeit 20.000 Öffi-Jahreskartenbesitzer – ohne Senioren-, Studenten- und Schülertickets. Rund die Hälfte hat die Region Salzburg-Stadt gewählt, die auch Umlandgemeinden umfasst, 20 Prozent zusätzlich die Region Salzburg-Nord. Elf Prozent besitzen eine Karte für das ganze Bundesland. Die Jahreskarte für eine Region gibt es für 365 Euro. Zwei Regionen kosten 495 Euro, Öffi-Fahren in ganz Salzburg 595 Euro pro Jahr.
Dass die „Einser-Stufe“des 1-2-3Klimatickets in jedem Bundesland 365 Euro kostet, ist wohl ebenfalls nicht mehr in Stein gemeißelt. Anfang Juli wurde in der Steiermark die Klimaticket-Einigung präsentiert. Die Frage zur Preisgestaltung blieb aber sowohl von Gewessler als auch vom Land unbeantwortet. Informationen zu Preisen will man im Herbst bekannt geben.
„Klimaticket startet noch heuer.“
Leonore Gewessler, Umweltministerin