Salzburger Nachrichten

Trauer zwischen Trümmern

Viel Zeit nimmt sich Angela Merkel für ihren Besuch im Katastroph­engebiet. Für die Zerstörung­en gebe es kaum Worte, sagt sie und spricht sich für schnellere Maßnahmen zum Klimaschut­z aus.

- Angela Merkel, deutsche Kanzlerin dop

Es war der erste Besuch von Angela Merkel in der von dem Hochwasser besonders betroffene­n Region im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit Malu Dreyer, SPD-Ministerpr­äsidentin, machte sich Merkel ein Bild vor Ort. „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichte­t worden ist“, sagte die CDU-Politikeri­n bei einer Pressekonf­erenz am Sonntagnac­hmittag.

Emotional wurde es, als der Bürgermeis­ter von Schuld, Helmut Lussi, zu Wort kam. Die Wassermass­en hatten die kleine Eifelgemei­nde fast vollständi­g verwüstet: „Diese Flut wird für die Menschen in Schuld Narben hinterlass­en. Narben, die man nicht vergisst, die nicht zu bewältigen sind“, sagte der Ortsbürger­meister, dann brach ihm die Stimme weg. Tränen stiegen in seine Augen. Die Menschen, die um ihn herumstand­en, legten tröstend ihre Hände auf seinen Rücken. Die Flutkatast­rophe habe eine völlig neue, bislang unvorstell­bare Dimension angenommen.

So wie dem Bürgermeis­ter geht es vielen Menschen in RheinlandP­falz

und dem ebenfalls betroffene­n Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nun, wenige Tage nach der Flutkatast­rophe, beginnt das Aufräumen und das Aufarbeite­n.

Schlamm, Schmutz, Schutt – mit dem Zurückweic­hen des Wassers wird in den vom Unwetter verwüstete­n Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Es wird wohl Monate dauern, bis allein die sichtbaren Folgen der Katastroph­e beseitigt sind.

Allein im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz haben mindestens 110 Menschen bei der Flutkatast­rophe ihr Leben verloren, 670 Menschen wurden verletzt. Zudem wurden in Nordrhein-Westfalen nach derzeitige­m Stand 46 Todesopfer registrier­t. Auch am Sonntag suchten Rettungskr­äfte in den teils völlig zerstörten Ortschafte­n nach Opfern – die Zahl der Toten und Verletzten könnte sich daher noch erhöhen.

Auch die deutsche Kanzlerin zeigte sich schockiert von dem Ausmaß der Hochwasser­katastroph­e. Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, „gespenstis­chen Bildern“an Ort und Stelle zu verschaffe­n, sagte Merkel. Zugleich drängte sie auf mehr Tempo in Sachen Klimaschut­z: „Wir müssen schneller werden im Kampf gegen den Klimawande­l“, sagte sie am Sonntag in Adenau.

Merkel verspricht den Hochwasser­opfern schnelle Hilfen. „Wir stehen an ihrer Seite“, sagte die Kanzlerin. „Bund und Land werden gemeinsam handeln, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen in dieser wunderschö­nen Gegend.“Am Mittwoch soll das Kabinett über Soforthilf­en in dreistelli­ger Millionenh­öhe beraten, sagte Finanzmini­ster Olaf Scholz von der SPD der „Bild am Sonntag“: „Es braucht einen nationalen Kraftakt.“

Bereits am Samstag war der deutsche Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in Nordrhein-Westfalen zu Besuch. Er hatte gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident und Unions-Kanzlerkan­didat Armin Laschet das Katastroph­engebiet Erftstadt besucht. Dort ist es im Ortsteil Blessem zu einem gewaltigen Erdrutsch gekommen. Drei Wohnhäuser und ein Teil der historisch­en Burg sind eingestürz­t. Steinmeier versprach den Betroffene­n Direkthilf­e und sagte zu, dass „sehr unbürokrat­isch Geld ausgezahlt“werde.

Die Rede wurde in den sozialen Medien zigfach geteilt. Denn während der Bundespräs­ident den Betroffene­n sein Mitgefühl aussprach, sah man im Hintergrun­d Laschet, wie er rund eine halbe Minute lang mit anderen Umstehende­n lachte. Viele Menschen reagierten darauf empört. Der frühere Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, sprach von „Pietätlosi­gkeit“gegenüber den Opfern.

Laschet entschuldi­gte sich daraufhin. Er bedauere den Eindruck, der durch eine Gesprächss­ituation entstanden sei. „Dies war unpassend und es tut mir leid“, schrieb Laschet am Samstagabe­nd auf Twitter.

„Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die angerichte­t worden ist.“

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BILD: SN/AFP Es sind „gespenstis­che Bilder“, wie Angela Merkel sagt. Die deutsche Kanzlerin besuchte am Sonntag den Ort Schuld in Rheinland-Pfalz.

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