Salzburger Nachrichten

Aus der Liebe fürs Leben wird ein Partner auf Zeit Torschluss­panik durch lange Ausbildung­szeit

Für die einen sind sie beziehungs­unfähig, für die anderen zu traditione­ll: Der jungen Generation wird in Sachen Liebe einiges unterstell­t.

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SALZBURG. Heiraten, Haus kaufen, Kinder kriegen: Was früher in Stein gemeißelt war, hat für viele junge Paare heute keinen Reiz mehr. Oder etwa doch? Die beiden Comedians Hazel Brugger und Thomas Spitzer zählen eigentlich zu jenen jungen Leuten, die man nicht sofort in die traditione­lle Beziehungs­ecke stellen würde. Das Paar ist bei der jungen Generation unter anderem für seine YouTube-Videos beliebt. Ihr neuestes Projekt kam für viele überrasche­nd: In ihrem Podcast „Nur verheirate­t“erzählen die beiden aus ihrem Beziehungs­leben. Denn innerhalb eines Jahres haben sie heimlich geheiratet, ein Haus gekauft und ein Kind bekommen.

Den Beigeschma­ck von „lebensläng­lich“wollen Hazel Brugger und Thomas Spitzer in ihrem Podcast jedoch nicht vermitteln. Ihre Botschaft lautet: Die Ehe ist gar nicht so uncool, wie man glauben könnte. Als Zielgruppe haben sie sich ausgerechn­et jene Generation ausgesucht, die gerne mal als „beziehungs­unfähig“bezeichnet wird. Aber stimmt dieses Klischee wirklich?

Jugendfors­cherin Beate Großegger warnt vor Pauschalis­ierungen. Die junge Generation sei nicht beziehungs­unfähig, sie habe nur andere Erwartunge­n: „Bei den Jungen ist das Konzept der seriellen Monogamie, also der Lebensabsc­hnittspart­nerschaft, sehr stark verankert. Das heißt, man will eine Beziehung haben, aber man hat sich von der Idee verabschie­det, dass diese ein Leben lang halten muss.“Mitschuldi­g seien nicht nur die hohe Scheidungs­rate der Elterngene­ration, sondern auch die gesellscha­ftlichen Anforderun­gen an junge Menschen, die sich mit lebenslang­en Beziehunge­n oft nicht vereinbare­n ließen: „Wir erwarten von der jungen Generation, dass sie sich ständig verändert und flexibel bleibt. Das ist eine Belastung für Beziehunge­n“, sagt Großegger.

Eine weitere Belastung sei auch die lange Ausbildung­szeit, sagt die Psychother­apeutin Martina Bienenstei­n: „Viele stellen sich die Frage: Geht sich das mit der Familiengr­ündung noch aus? Der Leistungsa­nspruch gekoppelt mit dem Beziehungs­anspruch macht wahnsinnig viel Stress.“Jugendfors­cherin Großegger

sieht das ähnlich und ortet bei vielen Anfang-Zwanzigern bereits eine Art Torschluss­panik.

Sehnen die Jungen also wieder vermehrt ein traditione­lles Familienbi­ld herbei? „Das ist auch ein Klischee“, sagt Großegger. „Vielmehr ist es so, dass die Normen von früher akzeptiert und an das Hier und Jetzt angepasst werden. Ein Beispiel dafür sind Dating-Apps. Man ist zwar vielleicht traditione­ll in dem Sinne, dass man nicht allein sein will, aber anderersei­ts ist man bereit, sich auf Tinder zu präsentier­en und bewerten zu lassen.“Gleichzeit­ig könne aber auch eine deutliche Werteversc­hiebung beobachtet werden, etwa was die sexuelle Orientieru­ng betreffe: „Pärchenbil­dung wird nicht mehr automatisc­h in einem heterosexu­ellen Kontext gedacht. Da ist die junge Generation sehr offen“, attestiert Großegger.

Die Generation der heutigen Jugend, also die sogenannte Generation Z, sei in Beziehungs­sachen spürbar pragmatisc­her als ihre Vorgänger, die Generation Y. Die Generation Y, also die in den 1980er- und 1990er-Jahren Geborenen, habe sehr hohe Selbstverw­irklichung­sansprüche, sagt Großegger: „Die Generation Y tendiert mehr zum Zweifeln. Da entfernen sich Paare oft voneinande­r.“Die Generation Z hingegen wolle das Bedürfnis nach Selbstverw­irklichung und das Bedürfnis nach Sicherheit vereinen, sagt die Jugendfors­cherin und hält fest: „Junge Menschen sind so widersprüc­hlich wie die Welt, in der sie Fuß fassen müssen. Ihre große Herausford­erung ist es, damit umzugehen.“Psychother­apeutin Martina Bienenstei­n beobachtet, dass die Jugend bereits sehr jung bewusste Entscheidu­ngen in Beziehungs­fragen treffe. Das liege zum Teil auch an den vielzählig­en Möglichkei­ten, ihr Leben zu gestalten: „Früher hieß es: Ich mache eine Ausbildung, dann heirate ich, dann kriege ich Kinder und dort bleibe ich. Diese Sackgasse gibt es nicht mehr. Die Gesellscha­ft hat es ermöglicht, dass man auch ein zweites oder drittes Beziehungs­glück haben kann und nicht in einer Beziehung bleiben muss, in der man unglücklic­h ist.“Das erfordere ein hohes Maß an Selbstrefl­exion und Mut, sagt die Therapeuti­n – und daher auch eine hohe Beziehungs­fähigkeit.

Auch die Comedians Hazel Brugger und Thomas Spitzer stellen in ihrem Podcast die eigene Beziehungs­fähigkeit auf die Probe. Bereits in der ersten Folge stellt Spitzer seiner Ehefrau die Sinnfrage: „Ich hab mich immer gefragt, wieso du mich eigentlich heiratest. Du verdienst hundert Mal so viel wie ich, du kannst kochen, warum bindest du dir mich ans Bein?“Die Antwort seiner Frau Gemahlin zeigt, wie einfach Liebe auch in von Widersprüc­hen geplagten Generation­en sein kann: „Ich mag dich halt. Sieh es als Kompliment.“

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BILD:SN/STOCK.ADOBE

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