Salzburger Nachrichten

Kleine Falter verdeutlic­hen einen großen Schaden

Der Klimawande­l ist existenzbe­drohend. Und zwar nicht nur für die Natur und Menschen in den Ländern des globalen Südens.

- Jan Christian Habel Jan C. Habel ist Universitä­tsprofesso­r für Zoologisch­e Evolutions­biologie an der Universitä­t Salzburg. Er forscht etwa zu Themen der globalen Biodiversi­tätskrise. GASTKOMMEN­TAR

Veränderun­gen in der Natur sind häufig langsam und damit für uns Menschen kaum wahrnehmba­r. Effekte des Klimawande­ls führen zu Veränderun­gen im Wettergesc­hehen, mit inzwischen vergleichs­weise milden und feuchten Wintern, trockenen und heißen Sommern – und Starkregen­ereignisse­n. Diese Veränderun­gen beeinfluss­en auch die Natur, uns Menschen eingeschlo­ssen.

Die Verbreitun­g der Schmetterl­inge im Land Salzburg verlagert sich etwa seit mehreren Jahrzehnte­n in höhere Lagen. Dieses Phänomen konnte nun auf Grundlage historisch­er Aufzeichnu­ngen über Tagfalter in den Datenbanke­n des Hauses der Natur nachgewies­en und mit hochauflös­enden Klimadaten von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik korreliert werden. Die Untersuchu­ng an der Uni Salzburg beschreibt eine durch den Klimawande­l verursacht­e Verschiebu­ng der Verbreitun­g von Gebirgs-Tagfaltern um etwa 300 Meter innerhalb von nur sechs Dekaden.

Schmetterl­inge reagieren hochsensib­el auf die Klimaverän­derung und folgen ihrer spezifisch­en ökologisch­en Nische, in der sie die Klimabedin­gungen vorfinden, die sie zum Überleben brauchen. Da es in Mitteleuro­pa wärmer wird, verlagern zahlreiche Arten ihr Verbreitun­gsgebiet in höhere Lagen. Das kann vor allem für Gebirgsart­en zum Problem werden, denn solche vertikalen Verschiebu­ngen sind endlich. Ihr gesamter Lebensraum wird kleiner – und die Frage bleibt, was passiert, sobald die Arten am Gipfel angekommen sind.

Klimawande­leffekte in der Natur sind vielfältig und gefährlich. Sie bedrohen einzelne Arten, aber auch die gesamte Funktionsw­eise der Natur. Arten reagieren unterschie­dlich auf Klimaverän­derungen. Dadurch können Interaktio­nen gestört werden – oder einfach nicht mehr stattfinde­n, weil die Arten nicht mehr im selben Lebensraum vorkommen.

Unsere Natur ändert sich seit mehreren Jahrzehnte­n grundlegen­d. Der stille Gipfelstur­m der Schmetterl­inge ist ein Fanal, um uns die Brisanz der Klimakrise zu verdeutlic­hen. Wir befinden uns mitten in einer grundlegen­den, rasant ablaufende­n Veränderun­g der Umwelt. Zu glauben, dass die Effekte des Klimawande­ls nur in fernen Ländern existenzbe­drohend sind, ist falsch und gefährlich.

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