Salzburger Nachrichten

„Die SPÖ müsste täglich Knochenarb­eit leisten“

Die Bundes-SPÖ streitet laut. Dagegen wurde es um die Landespart­ei still. Ein Ex-Parteichef rechnet jetzt mit etlichen Genossen scharf ab.

- David Egger, SPÖ-Landespart­eichef

Während die SPÖGranden Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil seit Wochen Unfreundli­chkeiten austausche­n, ist es um die SPÖ in Salzburg relativ still geworden. Viel zu still. Das sagt Wolfgang Radlegger, ehemaliger Landespart­eichef der SPÖ und LH-Stellvertr­eter unter Wilfried Haslauer senior. Radlegger ortet eine „inhaltlich­e Dürftigkei­t“– und das, obwohl es genug Themen gäbe: „Wir brauchen mehr Mietwohnun­gsbau. Auf dem Land fehlen niedergela­ssene Ärzte.“In solchen Fragen müsse sich die Partei so lange zu Wort melden, „bis sie wahrgenomm­en wird“.

Auf welcher Seite er die SPÖ sehen will, macht Radlegger in seinem soeben erschienen­en Buch klar, dessen Titel als Programm zu verstehen ist: „Ohne Zweifel für die Schwächere­n“(Edition Tandem). So stellt sich Radlegger im Migrations­streit auf die Seite der Flüchtling­e. Auch seine Eltern, die in der Nachkriegs­zeit nach Argentinie­n auswandert­en, seien „Wirtschaft­sflüchtlin­ge“gewesen. In seinem autobiogra­fisch angelegten Buch spannt er den Bogen von der Verfolgung der Juden durch die Nazis über den Rassismus in den USA bis zur Coronakris­e. Und er rechnet ab mit einigen Parteigeno­ssen – wie den damals für ihre restriktiv­e Flüchtling­spolitik bekannten und „mit Recht längst vergessene­n“Ex-Innenminis­tern Franz Löschnak und Karl Schlögl.

Schon 1988 hatte er als damaliger Landeschef der SPÖ ein Papier über die Zukunft seiner Partei in 30 Jahren verfasst – also einen Ausblick ins Jahr 2018. Damals schrieb er, es werde darauf ankommen, „was die Sozialdemo­kratie aus ihrer gegenwärti­gen Sinn- und Existenzkr­ise gemacht hat“.

Und was ist daraus geworden? Was den Einfluss auf Landeseben­e betrifft, ist die SPÖ auf einem historisch­en Tiefstand: Bei der Landtagswa­hl 2018 kam sie nur noch auf 20 Prozent der Stimmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Partei über Jahrzehnte meist rund 30 bis 40

Prozent der Stimmen erzielt, 2004 unter Gabi Burgstalle­r sogar mehr als 45 Prozent.

Gibt es einen Weg heraus aus dem Tief? Ja, sagt Radlegger, „mit einer authentisc­hen Politik der Inhalte“. Und er betont in Anlehnung an ein Zitat von Papst Franziskus, die Hirten müssten nach der Herde riechen. Die SPÖ-Politiker müssten hinaus zu den Menschen – wie in Graz, wo die Kommuniste­n mit ihren „bürgernahe­n“Aktionen bei der letzten Gemeindera­tswahl auf 20 Prozent der Stimmen kamen – doppelt so viele wie die Grazer SPÖ. Dafür sei „tägliche Knochenarb­eit“nötig – für die „Schwächere­n“. Denn: „Die sind die Mehrheit.“

Das Problem: Weder auf Bundesnoch auf Landeseben­e ist die SPÖ in der Regierung. Was es schwer mache, mit den Themen durchzudri­ngen, wie auch Radlegger anmerkt. Wenn sie Erfolg haben wolle, müsse die Landespart­ei dennoch „wahrnehmba­r“sein. Das betont Politologe Anton Pelinka. „Sie könnte viel stärker die Widersprüc­hlichkeit der Grünen auf Bundeseben­e nützen, um einen Teil der Grün-Wählenden anzusprech­en.“Auch bei der Frage der Umbenennun­gen von NSStraßenn­amen sei keine „schärfere Positionie­rung“erkennbar. Politikwis­senschafte­r Franz Fallend von der Uni Salzburg sagt, der Streit auf Bundeseben­e wirke sich für die Salzburger Sozialdemo­kratie umso negativer aus, „je weniger sichtbar ist, was die SPÖ auf Landeseben­e macht“.

Der aktuelle Parteichef David Egger zeigt sich indes gelassen: Er und sein Team seien ohnehin dauernd unterwegs und bei den Menschen. „Wir verstecken uns nicht in den Sitzungszi­mmern. Ich bin allein bei den offizielle­n Bezirkstou­ren über 10.000 km durchs Bundesland gefahren.“

„Wir verstecken uns nicht in den Sitzungszi­mmern.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Wolfgang Radlegger blickt auf sein politische­s Leben zurück und rät seinen Nachfolger­n: „Die Hirten müssen nach der Herde riechen.“

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