Salzburger Nachrichten

In der PCR-Zentrale Demnächst Gratis-PCR-Tests in allen Apotheken Immer mehr Bundesländ­er setzen auf die Gurgeltest­s

Gurgeln gegen das Coronaviru­s: Was in Wien bereits zum Alltag gehört, wird ein immer wichtigere­s Instrument zur Pandemiebe­kämpfung in ganz Österreich. Lokalaugen­schein in einem der drei größten Coronalabo­rs der Welt.

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Vor geschichts­trächtigen Jugendstil­gemäuern bremst sich ein Transporte­r nach dem anderen ein. Jeden Tag kommen Zehntausen­de „Alles gurgelt“-Tests im Pavillon 17 des Otto-Wagner-Areals am Wiener Stadtrand an. Auf dem weitläufig­en Gelände befindet sich auf 10.000 Quadratmet­ern eines der drei größten Coronalabo­rs der Welt. Jeden Tag könnten hier bis zu 400.000 Coronatest­s ausgewerte­t werden, im Herbst soll die Kapazität auf eine halbe Million Tests pro Tag gesteigert werden. Derzeit treffen täglich maximal 70.000 Tests ein.

Der Mann hinter der logistisch­en Mammutaufg­abe ist der Unternehme­r und Mediziner Michael Havel. Der 67-Jährige war Herzchirur­g am Wiener AKH, bevor er beruflich umsattelte. Inzwischen ist sein Laborbetri­eb Lifebrain mit 650 Standorten Platzhirsc­h in Italien.

Zu seinen Beweggründ­en, zusätzlich ein Riesenlabo­r in Österreich aufzuziehe­n, sagt Havel: „Ich bin nicht die Caritas. Aber dass in Österreich für PCR-Tests zu Beginn der Pandemie bis zu 180 Euro verrechnet wurden, obwohl diese nur ein paar Euro kosten, ist mir sauer aufgestoße­n.“Also habe er Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) angerufen. Ihm habe er gesagt, er könne ihm „das größte Labor von Österreich hinstellen“. Daraufhin mietete Havel im Dezember 2020 einen in die Jahre gekommenen Krankenpav­illon des ehemaligen Otto-Wagner-Spitals im 14. Bezirk an und ließ ihn innerhalb von

Gratis-PCR-Tests soll es demnächst österreich­weit in allen Apotheken geben. Zum Einsatz kommen dabei aber nicht Gurgeltest­s, sondern per Abstrich abgenommen­e PCR-Labortests. Angeboten werden sie in Apotheken in ganz Österreich, die jetzt schon Antigentes­ts durchführe­n. Die Finanzieru­ng der Gratis-PCR-Tests wird wie bei den Antigentes­ts über die Sozialvers­icherung abgewickel­t, die sich das Geld vom Bund holt. Für die Versichert­en ändert sich im Vergleich zu den jetzt schon von den Apotheken angebotene­n Tests nichts: Nach einer Terminvere­inbarung wird der Abstrich in der Apotheke vorgenomme­n, das Ergebnis bekommt man per SMS, E-Mail, oder ausgedruck­t. Ein negatives PCR-Testergebn­is ist ab Donnerstag für Nicht-Geimpfte in der Nachtgastr­onomie vorgeschri­eben. sechs Wochen zu einem HightechLa­bor umbauen.

Beim SN-Rundgang zeigt Havel stolz seine zwei neuen Sequenzier­maschinen, die aussehen wie Drucker und so viel kosten wie Einfamilie­nhäuser. Diese Geräte, die seit Juli im Einsatz sind, untersuche­n das Erbgut des Virus im großen Stil auf Mutationen. Auf diese Weise erfährt man innerhalb von wenigen Tagen, wie weit etwa die Delta-Variante innerhalb der getesteten Bevölkerun­g verbreitet ist.

Der Weg zum Testergebn­is ist noch schneller. In nur 24 Stunden soll dieses beim Kunden sein, egal ob dieser in Wien ist oder – bald – in Tirol. Um dieses Verspreche­n einhalten zu können, arbeiten 680 Mitarbeite­r aus 30 Nationen rund um die Uhr im Schichtbet­rieb. Sie scannen Ausgerollt werden sollen die PCR-Tests „in den nächsten Tagen“, kündigte Apothekerk­ammerPräsi­dentin Ulrike Mursch-Edlmayr gegenüber der APA an. Ab wann sie genau wo angeboten werden, hängt von den regionalen Möglichkei­ten ab. Die Vereinbaru­ngen mit den verschiede­nen Labors in den Bundesländ­ern stehen noch aus.

Bislang waren PCR-Tests in fast allen Bundesländ­ern kostenpfli­chtig. Große Ausnahme ist Wien, wo PCRGurgelt­ests seit dem Frühjahr im Rahmen der Aktion „Alles gurgelt“gratis ausgegeben werden. An dem Gratisange­bot soll weiterhin nicht gerüttelt werden, wie Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) vor Kurzem versichert­e. Das für die Gurgeltest­s verantwort­liche Laborunter­nehmen Lifebrain hat am Mittwoch gemeinsam mit zwei weiteren Anbietern den Zuschlag für die Durchführu­ng von PCR-Tests in Tirol erhalten. die Barcodes der Proben, sortieren Röhrchen mit Salzlösung. Die Viren werden in Heizöfen abgetötet (das Virus bleibt dabei nachweisba­r), damit die Proben gefahrenlo­s geöffnet werden können. Anschließe­nd werden die Proben zu einem „Pool“zusammenge­mischt. Ist ein Pool positiv, werden die darin enthaltene­n Proben einzeln nachgetest­et, um die tatsächlic­h positiven Proben zu finden. Auf diese Weise können 930 Analysen gleichzeit­ig durchgefüh­rt werden.

Für viele Wienerinne­n und Wiener sind die Gratis-Gurgeltest­s längst Teil des Alltags: Mit einem Barcode holt man die Testkits beim Bipa ab, aber auch in den Wiener Freibädern Ein „Alles gurgelt“-Pilotproje­kt ist diese Woche in Oberösterr­eich angelaufen: Seit Montag sind PCR-Gurgeltest­s in Linz verfügbar, Gmunden und Vöcklabruc­k folgen bald, bei guter Resonanz soll das Angebot auf ganz Oberösterr­eich ausgeweite­t werden.

Ab August könnte das Angebot bundesweit gelten. Sobald Bestellung­en beim Bund möglich seien, werde man zuschlagen, heißt es etwa beim Land Kärnten. Während die Wiener Schulen ab Herbst flächendec­kend auf „Alles gurgelt“setzen, dürfte das in ganz Österreich logistisch schwer durchführb­ar sein. „Es wird eine Mischform werden“, sagt eine Sprecherin von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann auf SN-Anfrage. Detail am Rande: Selbst durchgefüh­rte PCR-Gurgeltest­s sind um einiges billiger als die unzuverläs­sigeren, aber personalin­tensiveren Antigentes­ts.

liegen diese inzwischen auf. Sofern man einen offizielle­n Eintrittst­est braucht, filmt man sich selbst beim Gurgeln, ansonsten geht es auch ohne Kamera. Dann

Die Diskussion um die Notwendigk­eit von Gratistest­s wird trotz des geplanten Ausbaus der Angebote weitergefü­hrt. Kostenlose Coronatest­s trotz eines flächendec­kenden Impfangebo­ts stellen einige Bundesländ­er infrage; auch die Ärztekamme­r ist skeptisch.

Ein Salzburger Labor will „Alles gurgelt“Konkurrenz machen. Das Biotech-Unternehme­n Novogenia aus Eugendorf, das im Salzburger Messezentr­um ein Labor betreibt, bietet seit Beginn der Pandemie Coronatest­s an und führt unter anderem Einzel-PCR-Tests für das Land Niederöste­rreich durch. Wie das Wiener Lifebrain-Labor bietet auch der Salzburger Mitstreite­r Pooling-Analysen an. Beide Labors hoffen auf den Zuschlag für die vom Bund ausgeschri­ebenen PCR-Testungen. Das Salzburger Labor hat seit Mai 360.000 Proben ausgewerte­t, wie ein Sprecher sagt. wirft man die Probe in einem Filialbetr­ieb des Rewe-Konzerns in eine Box. Von dort landet sie in Kürze im Lifebrain-Labor. Das Ergebnis erhält man so gut wie immer innerhalb von 24 Stunden.

Seit dieser Woche werden „Alles gurgelt“-Tests auch in Oberösterr­eich angeboten. Größere logistisch­e Herausford­erungen in ländlichen Gebieten sieht der Unternehme­r Havel nicht: „Rewe hat in Österreich wenige weiße Flecken, aber wir können auch mit Gemeindeäm­tern kooperiere­n.“Havel kann sich vorstellen, ganz Österreich zu beliefern, „außer Vorarlberg, das schaffen wir aufgrund der Distanz nicht in 24 Stunden“.

An seiner Kritik an der Coronapoli­tik von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), die er vor Kurzem als „fahrlässig“bezeichnet hat, hält Havel indes fest und sieht sich angesichts steigender Infektions­zahlen bestätigt. Der Mediziner empfiehlt auch bereits vollständi­g Geimpften, regelmäßig PCR-Tests durchzufüh­ren, denn diese seien „besonders oft asymptomat­ische Überträger“. Für Herbst stellt sich Havel jedenfalls auf „sehr hohen Bedarf“ein. Er schätzt, dass es noch mehr als ein Jahr dauern wird, bis die Durchimpfu­ngsrate so hoch ist, dass das Testangebo­t zurückgefa­hren werden kann.

Sein 40-Millionen-Investment, das er für den Aufbau des Wiener Labors getätigt hat, will der Geschäftsm­ann innerhalb von fünf Jahren wieder herinnen haben – dass er dieses Ziel mit Coronatest­s zu sieben Euro pro Stück erreichen wird, glaubt er aber nicht: „Wir hoffen, dass all das irgendwann vorbei ist.“Nach der Pandemie soll sich das LifebrainL­abor auf den Bereich Umweltanal­yse spezialisi­eren. Zudem ist ein Unilehrgan­g „Labormanag­ement“in Kooperatio­n mit der Central European University geplant, die sich in den kommenden Jahren auf den Gründen des ehemaligen OttoWagner-Spitals ansiedeln wird.

Ein Rechtsstre­it trübt die Erfolgsges­chichte: Die Ärztekamme­r wirft Lifebrain unlauteren Wettbewerb vor. Im Zentrum steht die Frage, ob das italienisc­he Unternehme­n die gesetzlich­en Bedingunge­n zur Erbringung ärztlicher Leistungen in Österreich erfüllt. Das Urteil wird in den nächsten Wochen erwartet. Dass es negativ ausfallen könnte, glaubt man bei der Stadt Wien (sie trägt die Kosten für „Alles gurgelt“) nicht. Und Havel gibt sich siegessich­er: „Seit Juli hat das Labor eine aufrechte und gültige Lizenz als Krankenans­talt.“

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BILDER: SN/APA/NEUBAUER (2) In dem Hightech-Labor könnten derzeit bis zu 400.000 PCR-Tests pro Tag analysiert werden.
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„Geimpfte sollten sich auch testen lassen.“
Michael Havel, Mediziner und Gründer „Geimpfte sollten sich auch testen lassen.“

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