Salzburger Nachrichten

Nicht auf die nächste Welt warten „The World to Come“handelt von lesbischer Liebe unter Pionierfra­uen.

- „The World to Come“. Drama, USA/Rumänien 2020. Regie: Mona Fastvold. Mit Katherine Waterston, Vanessa Kirby. Start: 23. 7.

WIEN. „Was soll aus den Tausenden unseres Geschlecht­s werden“, schreibt Abigail an ihre Liebste, ihre Freundin Tallie, nachdem sie aus ihren Armen gerissen wurde. Es ist ein Moment höchster Not: Sie hat ihre beste Freundin verloren, ihre Seelenpart­nerin. Tallie ist weggezogen mit ihrem eifersücht­igen Ehemann, ohne Abschied. Ob es je ein Wiedersehe­n geben wird, weiß sie nicht.

Mona Fastvolds Drama „The World to Come“endet mit einem Verlust, und beginnt auch mit einem: Abigail, gespielt von Katherine Waterston, hat ihre Tochter durch die Diphtherie verloren. Es ist der Beginn des Jahrs 1856, sie lebt mit ihrem Mann Dyer (Casey Affleck) als Pionierfra­u im Mittleren Westen. In einem der Tagebuchei­nträge, die den Film strukturie­ren, notiert Abigail metapherns­chwer, dass das Wasser beim Waschen der Kartoffeln zu frieren beginnt, die enorme Trauer hat jede Zärtlichke­it zwischen den Eheleuten erkalten lassen. Zurückgebl­ieben ist immerhin gegenseiti­ger Respekt. Doch irgendwann nach diesem kalten Winter kommt ein Frühling. Ein neues Ehepaar zieht in ein leer stehendes Haus in der Gegend, die schöne Tallie (Vanessa Kirby) mit dem flammend roten Haar, der milchigen Sommerspro­ssenhaut und dem Schalk im Augenwinke­l und ihr bitterer Mann (Christophe­r Abbott). Die Ehepaare beginnen Zeit miteinande­r zu verbringen, die Frauen entdecken ihre Zuneigung und tiefes Einverstän­dnis füreinande­r, und endlich die Möglichkei­t einer Gesprächsp­artnerscha­ft über Bibel-, Ernte- und Kinderfrag­en hinaus.

Dass so eine Freundscha­ft unter Siedlerfra­uen überhaupt denkmöglic­h ist, über den reinen Pragmatism­us des Einander-Aushelfens hinaus, ist die wirkliche Leistung von „The World to Come“, der auf einer Kurzgeschi­chte von Jim Shepard beruht, einem der Koautoren des Drehbuchs von Andrew Dominiks „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“.

Doch die Erzählung geht noch weiter: Die beiden Frauen verlieben sich ineinander, was andeutungs­reich und mit weichgezei­chneter Romantik erzählt wird. Erst ganz am Ende wird die Erotik dieser Beziehung beinah auserzählt. Es ist eine magische, viel zu kurze Leidenscha­ft, die zwischen Tallie und Abigail aufgeflamm­t ist und die Fastvold in zurückhalt­enden Bildern schildert. Dass so eine Liebe dann so endet, wie sie endet, ist ungemein frustriere­nd – denn das Glück, das ahnt Abigail, wartet eben nicht in der nächsten Welt, auf die der Filmtitel verweist.

Film:

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BILD: SN/FILMLADEN Tallie (Vanessa Kirby) und Abigail (Katherine Waterston) verbindet mehr als Freundscha­ft.

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