Nicht auf die nächste Welt warten „The World to Come“handelt von lesbischer Liebe unter Pionierfrauen.
WIEN. „Was soll aus den Tausenden unseres Geschlechts werden“, schreibt Abigail an ihre Liebste, ihre Freundin Tallie, nachdem sie aus ihren Armen gerissen wurde. Es ist ein Moment höchster Not: Sie hat ihre beste Freundin verloren, ihre Seelenpartnerin. Tallie ist weggezogen mit ihrem eifersüchtigen Ehemann, ohne Abschied. Ob es je ein Wiedersehen geben wird, weiß sie nicht.
Mona Fastvolds Drama „The World to Come“endet mit einem Verlust, und beginnt auch mit einem: Abigail, gespielt von Katherine Waterston, hat ihre Tochter durch die Diphtherie verloren. Es ist der Beginn des Jahrs 1856, sie lebt mit ihrem Mann Dyer (Casey Affleck) als Pionierfrau im Mittleren Westen. In einem der Tagebucheinträge, die den Film strukturieren, notiert Abigail metaphernschwer, dass das Wasser beim Waschen der Kartoffeln zu frieren beginnt, die enorme Trauer hat jede Zärtlichkeit zwischen den Eheleuten erkalten lassen. Zurückgeblieben ist immerhin gegenseitiger Respekt. Doch irgendwann nach diesem kalten Winter kommt ein Frühling. Ein neues Ehepaar zieht in ein leer stehendes Haus in der Gegend, die schöne Tallie (Vanessa Kirby) mit dem flammend roten Haar, der milchigen Sommersprossenhaut und dem Schalk im Augenwinkel und ihr bitterer Mann (Christopher Abbott). Die Ehepaare beginnen Zeit miteinander zu verbringen, die Frauen entdecken ihre Zuneigung und tiefes Einverständnis füreinander, und endlich die Möglichkeit einer Gesprächspartnerschaft über Bibel-, Ernte- und Kinderfragen hinaus.
Dass so eine Freundschaft unter Siedlerfrauen überhaupt denkmöglich ist, über den reinen Pragmatismus des Einander-Aushelfens hinaus, ist die wirkliche Leistung von „The World to Come“, der auf einer Kurzgeschichte von Jim Shepard beruht, einem der Koautoren des Drehbuchs von Andrew Dominiks „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“.
Doch die Erzählung geht noch weiter: Die beiden Frauen verlieben sich ineinander, was andeutungsreich und mit weichgezeichneter Romantik erzählt wird. Erst ganz am Ende wird die Erotik dieser Beziehung beinah auserzählt. Es ist eine magische, viel zu kurze Leidenschaft, die zwischen Tallie und Abigail aufgeflammt ist und die Fastvold in zurückhaltenden Bildern schildert. Dass so eine Liebe dann so endet, wie sie endet, ist ungemein frustrierend – denn das Glück, das ahnt Abigail, wartet eben nicht in der nächsten Welt, auf die der Filmtitel verweist.
Film: