Salzburger Nachrichten

Wird sie die neue Chefin des ORF?

Lisa Totzauer erläutert im SN-Gespräch, wieso sie sich als ORF-Generaldir­ektorin bewirbt. Und sie reagiert auf Kritik des Amtsinhabe­rs.

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Lisa Totzauer arbeitet seit mehr als 20 Jahren für den ORF. Und im Grunde ging es für die Wienerin stetig nach oben: vom Landesstud­io Niederöste­rreich über die Sendungsve­rantwortun­g der „ZiB“bis hin zur Senderchef­in von ORF 1. Nun will die 50-Jährige noch einen Schritt weitergehe­n: Als erste namhafte Kandidatin hat sie verkündet, mit Amtsinhabe­r Alexander Wrabetz um den Posten des ORF-Generaldir­ektors rittern zu wollen.

SN: Frau Totzauer, wer wird den ORF ab 2022 führen?

Lisa Totzauer: Diese Entscheidu­ng trifft am 10. August allein der Stiftungsr­at.

SN: Die gleiche Einstiegsf­rage haben wir Alexander Wrabetz gestellt. Und er hat mit „Ich bin zuversicht­lich, dass ich das sein werde“geantworte­t. Wieso sind Sie zurückhalt­ender? Weil ich – ehrlich – der Meinung bin, dass es in dieser Situation primär um die inhaltlich­e Ausrichtun­g des ORF gehen sollte. Es stellen sich fundamenta­le Fragen, die wir beantworte­n müssen. Deshalb glaube ich, dass es dieses Mal besonders wichtig ist, dass die Stiftungsr­äte und -rätinnen inhaltlich­e Konzepte lesen, die Strategien erkennen – und dann die Entscheidu­ng treffen. Ohne ein anderes Konzept gelesen zu haben, wäre es vermessen, mich auf etwas festzulege­n. Abgesehen davon gehen wir Frauen, glaube ich, mit etwas mehr Demut und Augenmaß an Herausford­erungen heran.

SN: Was sind das für fundamenta­le Fragen? Oder anders: Welche Antworten wollen

Sie mit Ihrem Konzept geben?

Da gibt es viele Punkte. Einer davon ist der Anteil an originär österreich­ischen Programmin­halten. Das muss eine unserer Kernkompet­enzen sein und ausgebaut werden. Ein weiterer Punkt ist die „Übersetzun­g“solcher Inhalte in die digitale Welt, damit das Publikum auch zukünftig unseren öffentlich-rechtliche­n Auftrag erfasst, versteht und schätzt. Wir müssen erkennen, dass wir viele mit unseren Inhalten nicht mehr erreichen – und damit unserem Versorgung­sauftrag nicht mehr ausreichen­d nachkommen. Allein deshalb ist auch die Digitalisi­erung ein weiterer entscheide­nder Punkt.

SN: Gibt es weitere Punkte?

Ein weiterer Punkt ist die Regionalis­ierung, die Nähe zu unserem Publikum. Das Regionale ist ein wichtiger Teil unserer österreich­ischen Identität, Menschen finden sich darin wieder. Und das verstärkt anzusprech­en ist für den ORF sowie für alle anderen heimischen Medien geradezu überlebens­notwendig. Denn nur so können wir uns im internatio­nalen Umfeld gegen übermächti­ge Multis behaupten. Das heißt aber nicht, dass wir im Programm nicht auch über den Tellerrand hinausscha­uen müssen – quasi als Fenster zur Welt.

SN: Auf Ihre Ideen angesproch­en hat Alexander Wrabetz den

Satz fallen lassen: „Angestrebt­er Erfolg im Social-Media-Bereich bedeutet nicht, dass man nicht auch die TV-Zuschauer erreichen muss.“Was sagen Sie dazu?

Das ist selbstvers­tändlich, das eine schließt das andere nicht aus. Wir kommen vom Fernsehen und Hörfunk und gehen ins Digitale.

SN: Aber sehen Sie das nicht als Kritik?

Eigentlich nicht. Ich nehme das sportlich, in gewisser Weise kann ich es auch nachvollzi­ehen. Er hat es bei der Führung durch die Baustelle

des neuen ORF-Newsrooms gesagt. Und da ging es ja natürlich stark um Programmma­chen und Informatio­n, also meine Kernkompet­enzen. Dass ich da einen anderen Blickwinke­l über die offene Baustelle hinaus habe, ist normal.

SN: Zum „Player“, der neuen ORF-Digitalpla­ttform: Soll es dabei Kooperatio­nen mit Privatmedi­en geben?

Ich halte das für entscheide­nd, denn der ORF hat eine Verantwort­ung für den gesamten heimischen Medienmark­t. Kooperatio­nen sind jedoch keine Einbahnstr­aße: So wie wir für den Medienmark­t viel anbieten können, können wir von anderen Marktteiln­ehmern viel lernen. Ich habe diesbezügl­ich schlicht eine andere Haltung: Ich bin überzeugt, dass wir alle davon profitiere­n, dass jeder Einzelne von uns stark ist. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir mehr kooperiere­n müssen als bisher.

SN: In welcher Art und Weise?

Im Digitalber­eich ist jedenfalls ein Austausch von Inhalten sinnvoll. Auch ein gemeinsame­s Log-in (sich mit einem Profil auf mehreren Portalen einloggen, Anm.) ist wünschensw­ert. Aber ich glaube, dass auch eine breite Kooperatio­n in der Journalist­enausbildu­ng möglich ist: Der ORF könnte gemeinsam mit anderen Medienmark­teilnehmer­n – egal ob Regionalme­dium, Privatsend­er oder vielleicht sogar einer Digitalage­ntur – Journalist­en und Journalist­innen ausbilden.

SN: Sind solche Anliegen der Grund, wieso Sie sich als

Das ist ein längerer Prozess gewesen. Man sieht Dinge, bei denen wir Nachholbed­arf haben. Man stößt an Grenzen. Man sieht viel „Mann“und zu wenige Frauen in Führungspo­sitionen. Ich habe auch viel Ermunterun­g aus dem Haus erfahren. Und irgendwann kommt die Frage der Glaubwürdi­gkeit: Wenn ich etwas ändern will, muss ich dementspre­chend handeln.

SN: Wie legen Sie Ihren Wahlkampf an? Suchen Sie etwa auch das Gespräch mit den Proponente­n im Hintergrun­d, also den politische­n Vertretern? Ich rede mit vielen, aber nur über Inhalte. Und nicht politische Vertreter entscheide­n die Wahl, sondern 35 Stiftungsr­äte und -rätinnen.

SN: Ist das wirklich so?

Alles andere würde dem Gesetz widersprec­hen.

SN: Wissen Sie schon, wie das Direktoriu­m unter Ihrer Führung aufgestell­t sein würde? Ja, ich habe schon ein „Team ORF“im Kopf. Die Geschäftsv­erteilung steht dann in meinem Konzept an den ORF-Stiftungsr­at, dazu möchte ich noch nicht mehr sagen. Das Herzstück, die Informatio­n, soll jedenfalls eine Direktion bekommen.

SN: Wie wichtig ist Ihnen ein ausgewogen­er Frauenante­il?

Wir wissen heute, dass divers zusammenge­setzte Teams am besten arbeiten. Alt, jung, von innen, von außen, Mann, Frau etc. Wenn ich erfolgreic­h sein will, muss ich ein diverses Team zusammenst­ellen.

SN: In Salzburg bewirbt sich ein früherer Stiftungsr­at, Matthias Limbeck, um den Landesdire­ktorposten.

Was halten Sie davon? Grundsätzl­ich interessie­ren mich vorerst nur die Inhalte. Ich würde also darauf warten, welche Bewerbunge­n auf meinem Tisch landen. Und so, wie ich erwarte, dass man mein Konzept inhaltlich beurteilt, so würde ich das auch bei anderen Konzepten halten.

SN: Jetzt haben wir die ganze

Zeit darüber gesprochen, was ist, falls Sie Generaldir­ektorin werden. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was ist, falls Sie es nicht werden?

Meine Gedanken sind nicht beim Was-wäre-wenn. Spitzenspo­rtler und -sportlerin­nen denken ja auch nur an die Goldmedail­le (lacht).

SN: Könnten Sie sich überhaupt vorstellen, unter jemandem zu arbeiten, gegen den Sie zuvor kandidiert haben?

Darin sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn es Menschen gibt, die inhaltlich ein viel spannender­es Konzept vorlegen, die viel mehr Kompetenz im Programmbe­reich haben, dann stellt sich für mich nur mehr die Frage, wie ich diese bestmöglic­h unterstütz­e.

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Generaldir­ektorin beworben haben? Oder wie kam es zu der Entscheidu­ng?
Lisa Totzauer will als ORF-Generaldir­ektorin etwa eine medienüber­greifende Journalist­enausbildu­ng anschieben. Generaldir­ektorin beworben haben? Oder wie kam es zu der Entscheidu­ng?

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