Luis Toro Araya: Con brio ohne Überhitzung
Nagelprobe und Reifezeugnis: Ein bekanntes Repertoirestück ist ein heikler Prüfstein. Der 26-jährige Chilene Luis Toro Araya präsentierte sich beim Young Conductors Award am Sonntag wagemutig mit Beethoven. Auswendig beherrschte er dessen 4. Symphonie und überzeugte durch präzise Detailarbeit ebenso wie durch Formbewusstheit, klares interpretatorisches Kalkül (an dem Erkenntnisse der „historischen Aufführungspraxis“nicht vorbeigegangen zu sein schienen), Sicherheit in der Disposition auch über den Bogen der vier Sätze, die jeder für sich etwas zu erzählen wussten. Insgesamt gab es einen reschen, kräftigen Zugriff: con brio ohne Überhitzung. Eine Freude, wie die großartig (re)agierende Camerata Salzburg sich einschwor auf einen Ton knackiger Frische, der – glänzend im Dialog zwischen Streichern und Bläsern – nie nur Oberflächenreize bediente.
Jedes der Wettbewerbsprogramme stellt vielfältig wechselnde Ansprüche. György Ligetis auf rumänischen Volksmusikmotiven beruhendes Concert Românesc von 1951 braucht virtuos temperamentvollen Zugriff, aber spieltechnisch mehr als nur folkloristisches Ranschmeißertum. Als neues Stück präsentierte Luis Toro Araya die musikalische Reminiszenz auf eine britische Schiffsexpedition von 1830, die junge Leute aus Feuerland nach England verfrachtete und wieder zurückbringen ließ. Der chilenische Komponist Tomás Brantmayer, Jahrgang 1992, schuf ein aus akustischem Wind und Wellen sich steigerndes „Wiegenlied“für das Mädchen Fuegia Basket, stellvertretend für Schicksale von Heimatlosen. Bei beiden Werken bewies der junge Dirigent gestalterische Energie und handwerkliche Kompetenz. Sachlich, sicher, deutlich: Das war das kapellmeisterliche Signum des zweiten der drei Kandidaten. Eine Mozart’sche Einlagearie blieb da, auch sängerisch, nur Randerscheinung.