Salzburger Nachrichten

Frankreich­s Präsident fordert Satisfakti­on

Die EU zeigt pflichtgem­äß Solidaritä­t mit Paris, das von den USA so brüskiert worden ist. Überrascht sollte niemand sein.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Früher hätte man gesagt: diplomatis­che Krise. Die Bezeichnun­g ist aus der Mode geraten, wäre aber recht passend. Das Opfer heißt Frankreich. Die USA nahmen seine Kränkung in Kauf. Ihnen war es wichtiger, mit Australien ein langfristi­ges Sicherheit­sbündnis einzugehen, um Chinas militärisc­he Macht im Indopazifi­k zu begrenzen.

Dem Anrainerst­aat Australien wiederum erschien die Nähe zur Supermacht USA förderlich­er für die eigene Sicherheit als die Erfüllung eines Vertrags mit dem traditione­ll US-kritischen Frankreich. So verlor Paris über Nacht einen mehr als 50 Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau von dieselbetr­iebenen U-Booten. Stattdesse­n baut Australien nun atomare Unterwasse­rschiffe mit US-Spitzentec­hnologie. Verständli­ch – aus Sicht amerikanis­cher und australisc­her Sicherheit­sinteresse­n.

Eine skandalöse Brüskierun­g eines Verbündete­n – aus Sicht Frankreich­s. Präsident Emmanuel Macron beruft Botschafte­r ein, sagt Veranstalt­ungen ab, legt vereinbart­e Ministertr­effen auf Eis. Zur UNO-Vollversam­mlung nach New York fliegt er nicht. EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen nennt die Behandlung Frankreich­s durch Washington vor US-Medien „inakzeptab­el“. EU-Ratspräsid­ent Charles Michel schließt sich an. Der verletzte Stolz in Ehren – überrascht muss niemand sein. Schon richtig, der ohne Absprache vollzogene Rückzug aus Afghanista­n und nun der indopazifi­sche U-Boot-Deal sind von einer unhöfliche­n Direktheit.

In der Sache aber müssen die Europäer zur Kenntnis nehmen, was seit vielen Jahren immer und immer wieder aus Washington zu hören ist, bislang aber niemanden hier gejuckt hat: China und der Indopazifi­k zwingen die USA dazu, die Kräfte zu konzentrie­ren. Daher auch der Abschied von Afghanista­n. Daher das Bündnis mit den treuen Australier­n.

Selbst wenn die USA wollten, wären sie auf Sicht nicht mehr in der Lage, die Alleinvera­ntwortung für die Sicherheit Europas zu tragen – und zu finanziere­n. Insofern hat Emmanuel Macron recht, wenn er mehr militärisc­he Eigenständ­igkeit und Autonomie der EU fordert, auch wenn das so manchen Selbstbetr­ug aushebeln dürfte, darunter die österreich­ische Neutralitä­t. Doch Macron, der die NATO schon „hirntot“nannte, sollte sich nicht verrennen. Frankreich kann die USA noch lange nicht ersetzen.

Es ist schon klug, wenn sich die EU auch politische und militärisc­he Muskeln antrainier­t – aber besser im selben Fitnessclu­b wie die USA.

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