Frankreichs Präsident fordert Satisfaktion
Die EU zeigt pflichtgemäß Solidarität mit Paris, das von den USA so brüskiert worden ist. Überrascht sollte niemand sein.
Früher hätte man gesagt: diplomatische Krise. Die Bezeichnung ist aus der Mode geraten, wäre aber recht passend. Das Opfer heißt Frankreich. Die USA nahmen seine Kränkung in Kauf. Ihnen war es wichtiger, mit Australien ein langfristiges Sicherheitsbündnis einzugehen, um Chinas militärische Macht im Indopazifik zu begrenzen.
Dem Anrainerstaat Australien wiederum erschien die Nähe zur Supermacht USA förderlicher für die eigene Sicherheit als die Erfüllung eines Vertrags mit dem traditionell US-kritischen Frankreich. So verlor Paris über Nacht einen mehr als 50 Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau von dieselbetriebenen U-Booten. Stattdessen baut Australien nun atomare Unterwasserschiffe mit US-Spitzentechnologie. Verständlich – aus Sicht amerikanischer und australischer Sicherheitsinteressen.
Eine skandalöse Brüskierung eines Verbündeten – aus Sicht Frankreichs. Präsident Emmanuel Macron beruft Botschafter ein, sagt Veranstaltungen ab, legt vereinbarte Ministertreffen auf Eis. Zur UNO-Vollversammlung nach New York fliegt er nicht. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nennt die Behandlung Frankreichs durch Washington vor US-Medien „inakzeptabel“. EU-Ratspräsident Charles Michel schließt sich an. Der verletzte Stolz in Ehren – überrascht muss niemand sein. Schon richtig, der ohne Absprache vollzogene Rückzug aus Afghanistan und nun der indopazifische U-Boot-Deal sind von einer unhöflichen Direktheit.
In der Sache aber müssen die Europäer zur Kenntnis nehmen, was seit vielen Jahren immer und immer wieder aus Washington zu hören ist, bislang aber niemanden hier gejuckt hat: China und der Indopazifik zwingen die USA dazu, die Kräfte zu konzentrieren. Daher auch der Abschied von Afghanistan. Daher das Bündnis mit den treuen Australiern.
Selbst wenn die USA wollten, wären sie auf Sicht nicht mehr in der Lage, die Alleinverantwortung für die Sicherheit Europas zu tragen – und zu finanzieren. Insofern hat Emmanuel Macron recht, wenn er mehr militärische Eigenständigkeit und Autonomie der EU fordert, auch wenn das so manchen Selbstbetrug aushebeln dürfte, darunter die österreichische Neutralität. Doch Macron, der die NATO schon „hirntot“nannte, sollte sich nicht verrennen. Frankreich kann die USA noch lange nicht ersetzen.
Es ist schon klug, wenn sich die EU auch politische und militärische Muskeln antrainiert – aber besser im selben Fitnessclub wie die USA.