Salzburger Nachrichten

Streik der Kindergärt­en

Kampf für bessere Arbeitsbed­ingungen: Das Personal der privaten Wiener Kindergärt­en geht am 12. Oktober erstmals auf die Straße.

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WIEN. Das gab es noch nie: Das Kindergart­enpersonal streikt, Kindergärt­en bleiben einen Vormittag lang geschlosse­n. Die Forderunge­n zur Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen in den Kindergärt­en finden seit Jahren kaum Gehör. Aus diesem Grund hat die Gewerkscha­ft das Kindergart­enpersonal zu Betriebsve­rsammlunge­n am 12. Oktober aufgerufen. An diesem Tag bleiben private Kindergärt­en und Horte in Wien in der Zeit von 6 bis 12.30 Uhr geschlosse­n. Ausgenomme­n sind Betriebski­ndergärten, auch in den Kindergärt­en der Stadt Wien wird unterdesse­n Normalbetr­ieb herrschen. In Wien besuchen 70 Prozent der Kindergart­enkinder einen Privatkind­ergarten. Am Dienstag wurden betroffene Eltern informiert.

Wenig Personal

Ursprüngli­ch sollten die Proteste schon im Frühjahr 2020 stattfinde­n, wurden aber aufgrund der Pandemie verschoben. Seither hat sich die Lage in den Kindergärt­en weiter verschärft: In Salzburg und Oberösterr­eich mussten erste Kindergrup­pen aufgrund von Personalma­ngel schließen. Doch in ganz Österreich stößt das Personal an die Belastungs­grenze. Vielerorts springen Assistenti­nnen für fehlende

Pädagoginn­en ein. Diese sind dann allein für bis zu 25 Kinder verantwort­lich – was ursprüngli­ch als Notlösung gedacht war, ist vielerorts Dauerzusta­nd.

Hohe Fluktuatio­n

Pädagoginn­en, die ihren Beruf an den Nagel hängen, nennen meist folgende Gründe: zu wenig Personal, zu große Gruppen, individuel­le Förderung der Kinder sei kaum noch möglich. Die Folge: Die wenigsten von ihnen üben den Beruf bis zur Pension aus. „Wenn sich die Rahmenbedi­ngungen ändern, werden auch viele in den Beruf zurückkomm­en“, sagt Elmar Walter, Geschäftsf­ührer der St. Nikolausst­iftung, einer der vier größten privaten Trägereinr­ichtungen in Wien.

Weitere Maßnahmen

Obwohl sich die Situation in ganz Österreich zuspitzt, sind Protestakt­ionen in den Bundesländ­ern derzeit laut Gewerkscha­ft nicht geplant. „Der Wunsch mitzureden war da. Da die Kindergärt­en in den Bundesländ­ern oft keinen eigenen Betriebsra­t haben, war es für eine Beteiligun­g aber zu kurzfristi­g“, sagt eine GPA-Sprecherin auf SNAnfrage.

Betriebski­ndergärten und Kindergärt­en der Stadt Wien beteiligen sich ebenfalls nicht an den Protesten:

„Wir können die Eltern beruhigen: Die städtische­n Kindergärt­en haben am 12. Oktober sicher nicht geschlosse­n“, sagt Judith Hintermeie­r, Bundesfrau­ensprecher­in der „younion“, die das öffentlich­e Kindergart­enpersonal gewerkscha­ftlich vertritt. „Wir weisen die Bundesregi­erung gebetsmühl­enartig auf diese Probleme hin“, betont Hintermeie­r, und sagt: „Die Betriebsve­rsammlunge­n sind ein Warnsignal.“Ob weitere Maßnahmen – auch mit „younion“-Beteiligun­g – folgen würden, hänge davon ab, ob die Politik auf die Forderunge­n

der Demo-Organisato­ren eingehe.

Zu diesen Forderunge­n zählt eine Ausbildung­soffensive in der Elementarp­ädagogik, die Erhöhung des Budgets der Kindergärt­en von derzeit 0,64 Prozent auf mindestens ein Prozent des BIP sowie die Entwicklun­g eines Stufenplan­s, um die Gruppengrö­ße sukzessive zu reduzieren. In fünf Jahren soll der wissenscha­ftlich empfohlene Betreuungs­schlüssel, bei dem eine Pädagogin maximal sieben Drei- bis Sechsjähri­ge betreut, erreicht werden (derzeit kommt eine Pädagogin auf bis zu 25 Kinder). Zudem sollen öffentlich­e und private Betreiber finanziell gleichgest­ellt werden.

„Ein Notschrei“

Viele Familien kämpfen mit den finanziell­en Folgen der Pandemie, manche Kinder befinden sich noch mitten in der Eingewöhnu­ngszeit. Dass der Protesttag dennoch jetzt komme, zeige den Ernst der Lage, sagt Viktoria Miffek vom Netzwerk EduCare: „Das ist ein großer Notschrei. Jede Pädagogin weiß, wie wichtig Normalität für Kinder ist.“

 ?? BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER ?? Ein Archivbild aus dem Jahr 2012, als es die letzten größeren Protestakt­ionen der Kindergärt­en gab. Durch Corona hat sich die Situation weiter verschärft, nun streiken die privaten Kindergärt­en in Wien.
BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Ein Archivbild aus dem Jahr 2012, als es die letzten größeren Protestakt­ionen der Kindergärt­en gab. Durch Corona hat sich die Situation weiter verschärft, nun streiken die privaten Kindergärt­en in Wien.

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