Salzburger Nachrichten

Wende für die Sozialdemo­kraten?

Politologe­n sehen die Roten in Europa nicht am Weg zu alter Stärke.

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Portugal und Spanien, die skandinavi­schen Länder – es gibt wieder mehr sozialdemo­kratisch geführte Regierunge­n in Europa. Als Zeichen, dass die Partei in alter Stärke zurück ist, werteten mehrere Politologe­n das am Montagaben­d aber nicht.

In einer Onlinedisk­ussion, mitorganis­iert vom Forum Journalism­us und Medien und dem Presseclub Concorida, verwies Sheri Berman von der Columbia University darauf, dass die sozialdemo­kratischen Parteien in Europas Norden zwar wieder in Regierungs­verantwort­ung seien, aber bei den vergangene­n Wahlen nach Stimmen keine oder nur geringe Zugewinne gehabt hätten. Tatsächlic­h erzielte zuletzt die norwegisch­e Arbeiterpa­rtei, die nun den Regierungs­chef stellt, ein leichtes Minus von 1,1 Prozent im Vergleich zur vorigen Wahl. Auch in Dänemark konnten die regierende­n Sozialdemo­kraten den Stimmenant­eil bei der letzten Wahl nur halten.

In beiden Ländern wurden die Regierunge­n durch einen verhältnis­mäßigen Gewinn der Mittelinks-Blöcke gegenüber den Mitterecht­s-Blöcken möglich. Die Konservati­ven hatten da wie dort stark verloren. Dazugewonn­en hatten Liberale oder Kleinparte­ien.

In Norwegen wie in Dänemark gewannen die linken Wahlsieger rund ein Viertel der Stimmen. Anteile von 30 oder gar 40 Prozent der

Wähler könnten sie mit ihren derzeitige­n Profilen nicht erreichen, meint Politologi­n Berman. Denn hätten früher noch Arbeiterkl­asse, niedrigere Bildungssc­hichten und die progressiv­e Mittelschi­cht Rot gewählt, sei es heute vor allem Letztere. Die ersten beiden Gruppen sprächen die Parteien umso weniger an, je stärker sie auf nicht wirtschaft­liche Themen, wie nationale Identitäts­fragen, fokussiert­en.

Politologe Tarik Abou-Chadi von der Universitä­t Oxford wies in dem Zusammenha­ng wiederum darauf hin, dass diese nicht wirtschaft­lichen Fragen schwächere Wahlmotiv seien als gedacht. Allerdings, sagte er, seien die Sozialdemo­kraten gescheiter­t, eine „neue Idee“für ihre Wirtschaft­spolitik zu finden.

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