Salzburger Nachrichten

Bewährungs­probe für den Premier

- AUSSEN@SN.AT

Justin Trudeau hat sich mit Ach und Krach noch einmal über die Ziellinie gerettet. Anders als von vielen vorhergesa­gt konnte der kanadische Premiermin­ister bei den vorgezogen­en Parlaments­wahlen das Ruder auf den letzten Metern noch einmal herumreiße­n und sich trotz schlechter Umfragewer­te eine dritte Amtszeit sichern.

Tatsächlic­h gleicht das Wahlergebn­is des Jahres 2021 verblüffen­d dem von 2019 und viele Kanadier fragen sich: Warum nur diese Wahl?

Es ist eine Frage, auf die Trudeau den ganzen Wahlkampf über keine überzeugen­de Antwort geben konnte. Dass er dafür nicht härter abgestraft oder gar abgewählt wurde, hat er weniger sich selbst zu verdanken, sondern der Schwäche der Opposition.

Die Konservati­ven unter Parteichef Erin O’Toole holten nach einem engagierte­n Wahlkampf zwar die meisten Stimmen, konnten sich in den urbanen Zentren des Landes jedoch nicht durchsetze­n und aufgrund des Mehrheitsw­ahlrechts nicht genügend Sitze gewinnen.

Die Botschaft der Wähler: Sie waren verärgert über den Machtpoker Trudeaus, waren am Ende jedoch nicht bereit, ihren Regierungs­chef mitten in der Pandemie auszuwechs­eln. Also haben sie über seine Skandale, Schwächen und Glaubwürdi­gkeitsprob­leme hinweggese­hen und ihn aufgeforde­rt, den Job zu Ende zu bringen.

Es ist aber ein Job auf Bewährung, denn Trudeau ist spätestens jetzt politisch angezählt. Mit viel Fleißarbei­t wird er das Land nun aus der Pandemie führen müssen – seriös und ohne Glamour. Dass er das kann, hat er in den vergangene­n eineinhalb Jahren gezeigt, denn Kanada steht heute besser da als viele andere Länder. Es ist Trudeaus Chance, verlorenes Vertrauen zurückzuge­winnen.

Womöglich seine letzte.

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Jörg Michel

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