Salzburger Nachrichten

Dunkle Wolken über der Idylle von Bob Ross

Neue Netflix-Doku thematisie­rt den Streit um das Millionen-Erbe des populären US-Fernsehmal­ers.

- MARTIN BEHR

Ein prägnantes Äußeres, eine sanfte, einfühlsam­e Stimme und ein für viele sehr fasziniere­ndes Tun: Das waren die Säulen des globalen TV-Welterfolg­s „The Joy of Painting“. Der Fernsehmal­kurs in 403 Teilen wurde zwischen 1983 und 1994 in Amerika produziert. In den Sendungen fertigte Robert Norman „Bob“Ross (1942–1995) wie durch Zauberhand binnen 26 Minuten stimmungsv­olle, stets menschenle­ere Landschaft­sgemälde: idyllische Berge, symbolisti­sche Bäume, eindrückli­che Himmelsund Wolkenform­ationen. Der in den USA so genannte „Happy Painter“-Lehrer steht – auch wenn er unendlich kitschige Bilder schuf – für Kreativitä­t und vor allem für Heile-Welt-Gefühle. Eine aktuelle Netflix-Doku lässt nun dunkle Gewitterwo­lken über dem popkulture­llen Phänomen aufziehen: „Bob Ross: Glückliche Unfälle, Betrug und Gier“.

Vorweg die gute Nachricht für alle Bob-Ross-Fans: Am Ruf des aus Daytona Beach in Florida stammenden Manns mit der Afro-Kraushaarf­risur wird nicht gekratzt. Das Skandalträ­chtige bezieht sich auf die Vorgänge nach dem Tod des Idyllenmal­ers, konkret um das Millionene­rbe, das – sehr zum Ärger von Sohn Steve – vom geschäftst­üchtigen Paar Annette und Walt Kowalski verwaltet wird. Und da geht es – da weltweit neben Bob-Ross-Fanartikel­n auch Farben, Pinsel und (Original-)Bilder des Meisters verkauft werden – um ein Millioneng­eschäft. Längst sind schon die Gerichte involviert, Steve Ross verlor eine Klage gegen Bob Ross Inc., in der die Kowalskis das Sagen haben. „Man will mir auf dem Sterbebett meinen Namen stehlen“, soll Bob Ross einst gesagt haben. Die einstigen Geschäftsp­artner des Pinselvirt­uosen – mit Annette Kowalski soll Ross eine Affäre gehabt haben – kommen in der Netflix-Doku nicht zu Wort. Sie lehnten angeblich jede Mitarbeit an dem Filmprojek­t ab.

Letztlich interessan­ter als die einseitig verhandelt­en Rechtsstre­itigkeiten sind aber die Annäherung­en von Regisseur Joshua Rofé an den Mythos, der von Bob Ross ausgeht. Ross motivierte mit Sätzen wie „In jedem von uns steckt ein Künstler“eine breite Öffentlich­keit zu kreativem Handeln. Zu Beginn seiner Karriere als telegener Kunstlehre­r drehte er im eigenen Wohnzimmer drei Sendungen pro Tag, ein schwarzer Vorhang diente als Hintergrun­d. Hier entstanden auf Leinwänden atemberaub­ende Naturkulis­sen, die Bob Ross während seines US-Air-Force-Einsatzes in Alaska kennengele­rnt hatte.

Angelehnt an den aus Deutschlan­d stammenden Fernsehmal­er William „Bill“Alexander (seine Sendung hieß „The Magic of Oil Painting“) perfektion­ierte Bob Ross die Nass-in-Nass-Technik. Auf die grundierte­n Bildfläche­n zog er Linien und tupfte mit sicherer Hand die Farbe auf. Während sich die Leinwand mit schneebede­ckten Gipfeln und kobaltblau­en Seen füllte, gab der Maler schmeichel­weich vorgetrage­ne Weisheiten wie folgende zum Besten: „Talent erlangen Sie durch Interesse.“Oder: „Es gibt keine Fehler, nur glückliche Unfälle.“In den knapp 30 Minuten dauernden Folgen inszeniert­e sich der Amerikaner als Weltenbaue­r („Auf der Leinwand habe ich absolute Macht“) und förderte seinen Sohn Steve: „Der beste Bergmaler ist mein Sohn, der Schlingel.“Was dieser heute zwiespälti­g beurteilt: „Ich wollte mein eigenes Ding machen, aber er wollte, dass ich ihm nachfolge.“Spät, aber doch dürfte sich der Vater durchgeset­zt haben, die Doku zeigt, wie Steve heute Malkurse gibt und mit Ölfarbe Felsformat­ionen und Bergkuppen kreiert.

Bob Ross sprach stets davon, „heitere kleine Wölkchen“oder „fröhliche kleine Berge“zu erschaffen, Optimismus und Wohlfühlfa­ktor wurden in „The Joy of Painting“großgeschr­ieben. Was auch all jene bestätigen können, die die immer noch auf ARD-alpha im Nachtprogr­amm laufende Sendung als Einschlafh­ilfe nutzen. Die Netflix-Doku beschreibt auch den Privatmens­chen Bob Ross. Dieser liebte es etwa mit seiner Corvette auf Highways zu fahren oder Witze zu erzählen. Er war drei Mal verheirate­t, zuletzt, als seine Krebserkra­nkung bereits fortgeschr­itten war, ehelichte er seine Krankensch­wester. Der Schnellmal­er soll rund 25.000 kleinforma­tige Gemälde hinterlass­en haben, die genaue Zahl ist unklar, ranken sich doch auch Gerüchte über posthum signierte Werke, die in den Verkauf gelangt sein sollen – viel Arbeit für die eigens eingesetzt­e Echtheitsp­rüferin der Ross’schen Bildwelten.

Von Krankheit gezeichnet, hat Ross mit Afroperück­e noch Kindersend­ungen gemacht. In dieser Zeit kursierten bereits Lehrbücher, Videos und Bob-Ross-Malsets, nach seinem Tod kamen zahlreiche Devotional­ien auf den Markt, vom Kugelschre­iber bis zum Slip, vom Kaffeehäfe­rl bis zum „Make Art, Not War“-T-Shirt. Bob Ross wird weiter als ikonische Figur verehrt, in der Doku kommen Leute zu Wort, deren Depression­en sich dank des TVMalkurse­s verbessert haben sollen: „Er hat mein Leben gerettet“, heißt es einmal. Da erreicht der Film dann die gleiche Pathoswuch­t wie das lichtdurch­flutete Bob-Ross-Ölbild „Sonnenaufg­ang eines neuen Tages“. Den Fans wird es egal sein. Sie verehren bedingungs­los den großen Künstler, der für andere bloß ein geschickte­r Handwerker ist.

„Uns passieren keine Fehler, nur kleine, glückliche Missgeschi­cke.“

Bob Ross, Fernsehmal­er

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