Salzburger Nachrichten

3 G am Arbeitspla­tz ist möglich, Sanktionen sind schwierig

Wer zum Wirt geht, braucht den 3-G-Nachweis. Künftig soll das auch Voraussetz­ung sein, damit man an seinen Arbeitspla­tz darf.

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In Deutschlan­d wird das Leben für ungeimpfte Personen im Herbst ungemütlic­her und ist mit finanziell­en Nachteilen verbunden.

Bund und Länder haben sich am Mittwoch darauf geeinigt, dass Personen, die sich impfen lassen könnten, aber dies nicht tun, den Verdiensta­usfall bei einer behördlich angeordnet­en Quarantäne nicht mehr ersetzt bekommen. Diese Regelung soll voraussich­tlich ab 1. November in Kraft treten. Damit will man Bürgern Zeit geben, sich doch noch für eine Impfung zu entscheide­n. Darüber hinaus werden bereits ab 11. Oktober Corona-Schnelltes­ts selbst bezahlt werden müssen. Gratis bleiben sie nur für Personen, die sich nicht impfen lassen können.

Da kostenlose Impfungen für alle möglich seien, sei es nicht mehr länger nötig, dass die Steuerzahl­er die Kosten für die Tests übernähmen, argumentie­rt der deutsche Gesundheit­sminister Jens Spahn.

Auch in Österreich wird über strengere Vorschrift­en diskutiert – konkret darüber, dass die 3-G-Regel künftig auch für den Zutritt zum Arbeitspla­tz gelten soll. Sozialpart­ner und Regierung sind grundsätzl­ich dafür, in vielen Betrieben ist es ohnehin gelebte Praxis. Arbeitsrec­htler weisen darauf hin, dass Betriebe schon jetzt in bestimmten Fällen 3 G zur Regel machen können. Allerdings ist unklar, ob sich Arbeitnehm­er der Vorgabe durch Tragen einer Maske entziehen können. Keine eindeutige Antwort gibt es auch darauf, welche Sanktionen Beschäftig­te zu erwarten haben, die sich nicht testen lassen oder eine Maske tragen wollen. Ihnen die Entgeltfor­tzahlung zu verweigern dürfte unter den bestehende­n gesetzlich­en Vorschrift­en nicht möglich sein. Und vor einer Kündigung müssten jedenfalls andere zumutbare Mittel wie Homeoffice oder eine Versetzung ausgeschöp­ft werden.

Italien macht es vor, dort darf ab 15. Oktober nur mehr ins Büro, wer einen Grünen Pass vorweisen kann. Nun will auch Österreich die Berechtigu­ng, den Arbeitspla­tz zu betreten, von der 3-G-Regel abhängig machen. Regierung und Sozialpart­ner sind zwar dafür, aber keiner fühlt sich zuständig. Diesbezügl­iche Verhandlun­gen wurden von den Sozialpart­nern dementiert, Regierungs­mitglieder sagten dagegen, man warte auf deren Vorschläge.

Tatsache ist, in vielen Betrieben sind die Teststraße­n abgebaut. „Die meisten sind ohnehin geimpft“, lautet die Devise. Von den anderen hofft man, dass sie sich testen lassen. Systematis­ch kontrollie­rt wird das in den Betrieben bis dato allerdings nicht. Die Sozialpart­ner wünschen sich von der Regierung Klarheit, unter welchen Bedingunge­n Betriebe die 3-G-Regeln anwenden können. Silvia Hruška-Frank, Leiterin der Abteilung für Sozialpoli­tik in der Arbeiterka­mmer, sagt: „Die Sozialpart­ner sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Man braucht aber ein politische­s Mandat.“Ähnlich sieht es der Wiener Arbeitsrec­htsprofess­or Martin Gruber-Risak: „Eine Sozialpart­nervereinb­arung ersetzt keine gesetzlich­e Regelung.“

Status quo

Die seit 15. September geltende neue zweite Covid-19-Maßnahmenv­erordnung bringe bereits Verschärfu­ngen, sagt Gruber-Risak. Denn laut § 9 Absatz 5 der Verordnung können die Betriebe „in begründete­n Fällen“schon jetzt strengere als die gesetzlich­en Regeln vorsehen. Vorher sei das nur per Einzelvere­inbarung möglich gewesen. Wenn etwa jemand viel Kundenkont­akt habe oder mit vulnerable­n Mitarbeite­rn – immunsuppr­imiert oder schwanger – im gleichen Raum arbeite, könnte nun generell einseitig 3 G vorgeschri­eben werden, sagt der Arbeitsrec­htsprofess­or. Ob sich Arbeitnehm­er dieser Vorgabe entziehen können, indem sie eine Maske aufsetzen, ist laut Gruber-Risak weiter nicht ganz klar.

AK-Expertin Hruška-Frank hält die neue Verordnung für „unbefriedi­gend“, denn abgesehen von körpernahe­n Dienstleis­tungen und Altenund Pflegeheim­en müsse nun jeder Betrieb selbst klären, was ein „begründete­r Fall“für besondere Maßnahmen sei. „Wir brauchen Rechtsnorm­en, denn wir reden von einer Einschränk­ung von Freiheiten“, sagt sie. Nur auf die Klärung bei Gerichten zu warten sei zu wenig. „Die Betriebe wollen mit ihren Beschäftig­ten arbeiten und können diese Konflikte nicht brauchen.“

Kontrolle

Schon jetzt verlangen Unternehme­n von ihren Beschäftig­ten einen 3-G-Nachweis. Wer in einem Verteilzen­trum der Post arbeitet, muss seit Montag geimpft oder genesen, also 2 G, sein oder andernfall­s in Innenräume­n eine FFP2-Maske tragen. Kontrollie­rt werde das vom Teamleiter, heißt es bei der Post.

Gruber-Risak hält die Offenlegun­g des genauen Status für problemati­sch, gehe es doch um sensible Gesundheit­sdaten. „Das sind Kontrollen, die die Menschenwü­rde berühren“, sagt er. Seiner Ansicht nach braucht es dafür eine Vereinbaru­ng mit dem Betriebsra­t oder mit jedem Einzelnen, wenn es keine gibt. Besser wäre aus seiner Sicht eine App, die Grün oder Rot anzeigt – und dass die Erfüllung der rechtliche­n Vorgaben elektronis­ch im System gecheckt werde. Sollte eine gesetzlich­e 3-G-Regel kommen, bräuchte es die Zustimmung zur Kontrolle nicht mehr, sondern nur mehr für die Speicherun­g.

Sanktionen

Was passiert mit Ungeimpfte­n, die sich nicht testen lassen oder eine Maske tragen wollen? Laut GruberRisa­k sind Sanktionen nicht einfach umzusetzen. Der Arbeitgebe­r muss im Fall einer Weigerung, die Maske zu tragen oder die 3-G-Regel einzuhalte­n, vor einer Kündigung zunächst alle zumutbaren Möglichkei­ten wie Homeoffice oder Versetzung ausschöpfe­n. Das sei innerhalb des Betriebs, aber auch auf gesellscha­ftlicher Ebene „SuperSpren­gstoff“, sagt Gruber-Risak – denn nicht alle können ihre Arbeit an den Küchentisc­h verlegen. Hruška-Frank betont, es gebe aktuell bei rund vier Millionen Beschäftig­ten nicht einmal eine Handvoll gerichtsan­hängige Verfahren. Das seien bisher „extremste Einzelfäll­e“, fehlende Klarheit könne aber die Positionen radikalisi­eren, sagt sie. In der Industriel­lenvereini­gung will man Sanktionen für Verweigere­r nicht von vornherein ausschließ­en, „darüber wird man reden müssen“, sagte IV-Präsident Georg Knill am Donnerstag. Allerdings sei dafür eine klare rechtliche Handhabe nötig, hier sei die Politik gefordert, das könne man nicht den Arbeitgebe­rn überlassen.

Kosten für Tests

Derzeit wird evaluiert, ob die Tests weiter kostenlos sein sollen. Der Zuschuss für Betriebe (zehn Euro pro Testung, abgewickel­t vom Austria Wirtschaft­sservice) ist vorerst mit Ende September befristet. Zuletzt deutete einiges darauf hin, dass die Förderung nicht verlängert wird. Die Kosten für Tests kann man laut Gruber-Risak so lange nicht auf Arbeitnehm­er überwälzen, solange sie gesetzlich der Impfung, die ja gratis ist, gleichgest­ellt sind.

„Die Kontrolle berührt die Menschenwü­rde.“Martin Gruber-Risak, Professor Uni Wien

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